: „Wiederholung der Wahl ist notwendig“
Hans Meyer, Wahlrechtsexperte und zur Zeit Präsident der Berliner Humboldt-Universität, hält die hessische Landtagswahl wegen der illegalen Wahlkampffinanzierung der CDU für ungültig
taz: Herr Meyer, muss Ihrer Ansicht nach die hessische Landtagswahl wiederholt werden?
Hans Meyer: Nach der hessischen Landesverfassung ist eine Landtagswahl „ungültig“, wenn das Wahlergebnis durch „Unregelmäßigkeiten im Wahlverfahren und strafbare oder gegen die guten Sitten verstoßende Handlungen“ erheblich beeinflusst wurde. So wie sich mir die Lage derzeit darstellt, halte ich eine Wiederholung der Wahl für notwendig. Die CDU hat einen erheblichen Teil ihres Wahlkampfes mit Geldern finanziert, deren Herkunft unter Verstoß gegen das Parteiengesetz nicht offen gelegt wurde.
Das ist aber laut Parteiengesetz nicht „strafbar“. Sehen sie hierin denn einen Verstoß gegen die „guten Sitten“?
Die Verletzung der Transparenzregeln ist an sich noch keine Straftat, möglicherweise lag aber ein Geldwäsche-Delikt vor. Doch darüber kann man derzeit nur spekulieren, deshalb will ich mein Urteil darauf nicht stützen. Auch die „guten Sitten“ muss man wohl nicht bemühen. Ich sehe vielmehr „Unregelmäßigkeiten im Wahlverfahren“.
Ist mit dem „Wahlverfahren“ nicht eher die staatliche Organisation der Wahl gemeint?
Nein, der Begriff des „Wahlverfahrens“ wird im Wahlrecht weit ausgelegt. Dazu gehört zum Beispiel auch die Wahlwerbung, die ebenfalls staatlichen Regelungen unterliegt. So wäre es eine „Unregelmäßigkeit im Wahlverfahren“, wenn eine Partei systematisch die Wahlplakate ihrer Konkurrenten überklebte. Parteien dürfen sich bei der Wahl eben keinen rechtswidrigen Wettbewerbsvorteil verschaffen.
Die CDU hat im letzten Wahlkampf nicht übermäßig viel Geld zur Verfügung gehabt. Die SPD war sogar besser ausgestattet.
Darauf kommt es nicht an. Die CDU hat Gelder verwendet, ohne ihre Herkunft offen zu legen. Dazu wäre sie aber verpflichtet gewesen, damit die Wähler wissen, wer hinter einer Partei steht. Die Partei hat sich damit der politischen Auseinandersetzung über ihre Geldgeber rechtswidrig entzogen.
War dieser Verstoß aber auch „erheblich“ für den Wahlausgang?
Die neue Koalition hat die Wahl mit nur 3.000 Stimmen Vorsprung gewonnen. Das ist in einem Flächenland ein hauchdünner Abstand. Auf der anderen Seite sollen rund 1,5 Millionen Mark von insgesamt vier Millionen Mark Wahlkampfkosten von den CDU-Auslandskonten stammen. Diese Summe halte ich für erheblich. Wenn man mit 1,5 Millionen Mark nicht 3.000 schwankende oder zögerliche Wähler überzeugen könnte, dann wäre Wahlwerbung wohl überflüssig.
Wenn die hessische Landtagswahl tatsächlich ungültig war, sind dann auch die Handlungen der neu gewählten Landesregierung und des Landtags alle unwirksam gewesen?
Nein. Aus Gründen der Rechtssicherheit verlieren Gesetze und andere staatliche Handlungen der letzten Monate ihre Rechtmäßigkeit nicht.
Interview: Christian Rath
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