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Tumulte beim Prozess des „Kalifen von Köln“

Prozessauftakt: Metin Kaplan hatte zum Mord an seinem Konkurrenten aufgerufen

Düsseldorf (taz) – Tumultartige Szenen begleiteten am gestrigen Dienstag den Auftakt des Verfahrens gegen den als „Kalif von Köln“ bekannt gewordenen Muhammad Metin Kaplan. Vor dem sechsten Strafsenat des OLG Düsseldorf müssen sich der 47-Jährige und die Mitangeklagten Hasan Basri Gökbulut (34) und Harun Aydin (28) wegen Rädelsführerschaft und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung sowie öffentlicher Aufforderung zu Straftaten verantworten. Gemeinsam hätten sie beschlossen, „Angriffe gegen ihren Führungsanspruch mit allen Mitteln bis hin zur Tötung abzuwehren“. Folge dieser Aktivitäten soll die Ermordung des 29jährigen Halil Ibrahim Sofu gewesen sein.

Der erhöhte Sicherheitsaufwand scheint nicht ungerechtfertigt. Kaplan, der sich selbst „Emir der Gläubigen und Kalif der Muslime“ nennt, ist Führer des von seinem Vater gegründeten hierarchisch aufgebauten und totalitär geführten Verbandes „Hilafet Devleti“ (Kalifatsstaat), der laut Verfassungsschutz „kompromisslos ein islamisches Staatswesen in der Türkei mit dem Endziel der Weltherrschaft des Islam“ fordert. In Büchern und Broschüren erklärt Kaplan unter anderem, Islam und Demokratie seien unvereinbar. Der Zionismus sei “eine Plage für die gesamte Menschheit“. Nach dem Tod seines Vaters Camaleddin Kaplan („Chomeini von Köln“) 1995 erhob neben Kaplansohn Metin auch der Berliner „Generaljugendemir“ Halil Ibrahim Sofu Anspruch auf den Titel „Kalif“. Der Streit eskalierte 1996, als ein Großteil des Gebietsemirates Berlin sich abspaltete und Sofus zum „Gegenkalifen“ ausgerufen wurde. Kaplan sprach daraufhin eine Todes-Fatwa gegen den 29jährigen aus. Halil Ibrahim Sofu wurde am 8. Mai 1997 von drei Unbekannten in seiner Wohnung mit zehn Schüssen hingerichtet.

Für die Bundesanwaltschaft ist klar: „Die Angeschuldigten wussten, dass streng gläubige Anhänger die Drohung des Kalifen als verbindliche Aufforderung zur Tötung des Sofu verstehen mussten.“ Kaplan lehnt jede Verantwortung ab und bezeichnet das Attentat als Inszenierung des türkischen Geheimdienstes.

Schon zu Beginn der Verhandlung sorgten etwa 70 seiner Anhänger für den ersten Eklat: Aus religiösen Gründen weigerten sie sich, sich zur Vereidigung der Dolmetscher zu erheben. Ein Verstoß gegen die Prozessordnung, den Richter Ottmar Breidling nicht duldete. Seiner Aufforderung, den Saal zu verlassen, folgten die Islamisten so lautstark, dass Breidling den Saal räumen ließ.

Nach Wiederaufnahme der Verhandlung „verarztete“ Breidling zunächst zwei festgenommen Störer. Hierbei sorgte Metin Kaplan mit dem Zwischenruf „Dies ist ein Verfahren gegen den Islam“ dafür, dass Breidling die Sitzung unterbrechen ließ, um nach der Mittagspause zu entscheiden, ob er den „Kalifen“ für den Rest des Verhandlungstages ausschließen soll.

Thomas Schad

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