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Bundesregierung stoppt den Genmais doch

Kurz bevor das Sortenamt die erste Genpflanze endgültig für den Anbau freigeben konnte, zogen Trittin und Andrea Fischer die Notbremse: Sie legten die Zulassung auf Eis, bis Umweltbedenken geprüft sind ■ Von Matthias Urbach

Berlin (taz) – Das war eine unangenehme Überraschung für den Schweizer Agrarkonzern Novartis: Eigentlich sollte sein Genmais BT-176 gestern vom Bundessortenamt als erste Genpflanze endgültig für den kommerziellen Anbau zugelassen werden. Doch dann zogen die grünen Minister Andrea Fischer (Gesundheit) und Jürgen Trittin (Umwelt) im letzten Moment die Notbremse. Sie übermittelten Agrarminister Karl-Heinz Funke (SPD), dem das Sortenamt untersteht, ökologische Bedenken gegen das Gengetreide und überzeugten ihn, das Verfahren zu stoppen.

Das war leichter gesagt als getan. Denn der Sortenausschuss des Bundessortenamtes ist politisch unabhängig. Er hat allein darauf zu achten, ob die Gensaat alle landbaulichen Kriterien für eine Zulassung erfüllt. Also verfiel die Regierung auf eine andere Lösung: Das Gesundheitsministerium wies gestern das Robert-Koch-Institut (RKI) an, die Genehmigung zum In-Verkehr-Bringen auf Eis zu legen. Bei dieser Genehmigung geht es darum, ob durch ein Aussäen des Genmaises gesundheitliche oder ökologische Bedenken bestehen. Dass dies nicht der Fall sei, hatte die EU-Kommission am 23. Januar 1997 festgestellt. Es ist bislang deutsche Politik gewesen, die EU-Position einfach in deutsches Recht umzusetzen. Das hat das zuständige Amt, eben das RKI, am 4. Februar 1997 getan. Nun weist Fischer das RKI an, diese Genehmigung auf unbestimmte Zeit ruhen zu lassen.

Das ist rechtlich möglich, wenn neue wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen wurden. Der BT-Mais hat ein Gen eingebaut, das die Pflanze ein Insektengift (BT) produzieren lässt. Das Umweltministerium verweist auf Studien aus der Schweiz und den USA, die im Labor ermittelten, dass auch der Pollen des BT-Maises giftig ist und Schmetterlinge vergiften kann. Außerdem werden mit den Schädlingen auch Nützlinge wie die Florfliege beeinträchtigt, reichert sich das BT-Insektizid über die Wurzeln im Boden an. Novartis hingegen argumentiert, dass Freilandversuche mit dem BT-Mais problemlos verliefen.

Das Gesundheitsministerium verweist auf das Risiko der in den Genmais aus technischen Gründen eingepflanzten Antibiotika-Resistenz. Die könne auf Krankheitskeime überspringen. Dies ist zwar unwahrscheinlich, aber Fischer will auf der sicheren Seite sein.

Zwar sind die ökologischen Bedenken erst nach der EU-Genehmigung aufgetaucht – ganz taufrisch sind sie mit einem Alter von drei Jahren aber nicht mehr. Deshalb ist es kurios, die RKI-Zulassung ausgerechnet an dem Tag hektisch aufzuheben, an dem das Sortenamt nach zwei Jahren Prüfung entscheiden will.

Novartis steht nach der Entscheidung mit weniger da als zuvor: Durch die neue Verfügung wird auch die Vorabgenehmigung des Sortenamtes für den versuchsweisen Anbau in Deutschland hinfällig, den Novartis seit zwei Jahren auf rund 500 Hektar betreibt.

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