Familiengrüße aus Luxemburg

■ Der Medienunternehmer Silvio Berlusconi will die Allianz mit Murdoch und Kirch. Denn als Junior in einer europäischen Medienholding hätte der Politiker in Italien den Rücken frei

Rom (taz) – Das Jahr 2000 hätte für Silvio Berlusconi nicht besser anfangen können – in gerade 45 Tagen wuchs sein Privatvermögen um die Kleinigkeit von acht Milliarden Mark: Die Kurse von Berlusconis TV-Holding Mediaset sind seit Wochen im Höhenflug. So viel Euphorie der Anleger hat einen einfachen Grund: In Italien kocht die Gerüchteküche über mögliche Allianzen oder gar einen Verkauf der Mediaset. Da ist die Rede von einem Zusammengehen mit Tin.it, der Internettochter von Telecom Italia, von der kompletten oder teilweisen Veräußerung an Rupert Murdoch und Leo Kirch, gar vom Plan einer europäischen Medien-Superholding. Die Tageszeitung La Repubblica berichtete von einem schon detailliert ausgearbeiteten Projekt: Angeblich wollen Murdoch, Kirch und Berlusconi im Verein mit dem saudischen Finanzier Al-Walid in Luxemburg eine neue europäische Unternehmensgruppe gründen und ihr die Kontrolle aller von den Partnern gehaltenen Medienbeteiligungen auf dem Kontinent überantworten. Auch den Stichtag für den Stapellauf des neuen Mediengiganten teilte das Blatt gleich mit: den 23. Februar. Die jeweilige Börsennotierung, die die eingebrachten Unternehmen an jenem Tag erreichen, soll über die Anteile der drei TV-Magnaten an der Luxemburger Holding entscheiden.

Wie immer, wenn Unternehmen fusionieren, folgten die Dementis. Berlusconis Manager ließen wissen, die Beteiligung an Mediaset sei „unantastbar“; „Verhandlungen oder gar Vereinbarungen über eine Veräußerung“ gebe es nicht; „reine Fantasieprodukte, bar jeder Grundlage“ seien erst recht die „Hypothesen über vereinbarte Fristen und besondere Klauseln“. Den einen oder anderen Spekulanten haben diese Auskünfte wohl überzeugt; nach den starken Gewinnen zu Wochenanfang gab die Mediaset-Aktie zur Wochenmitte nach.

Weniger überzeugt zeigte sich allerdings die italienische Regierung. Staatssekretär Vincenzo Vita aus dem Ministerium für Kommunikationswesen erklärte, er wolle die Umstrukturierungspläne nicht ausschließen. „Ein Körnchen Wahrheit“ müsse wohl dran sein an einem Gerücht, das sich seit Wochen halte.

Vielleich auch mehr als nur ein Körnchen – Berlusconi kann sich von einem Zusammengehen mit Kirch und Murdoch gleich mehrfach Profit versprechen, als Politiker wie auch als Unternehmer. Der Politiker und italienische Oppositionsführer Silvio B. hat das leidige Problem, dass die Mitte-Links-Regierung in den nächsten Monaten ein Gesetz zum „Interessenkonflikt“ durchs Parlament bringen will, ein Gesetz, das in Zukunft seine Doppelbelastung als Politiker wie als Medienunternehmer unterbinden soll. Berlusconi aber zeigt wenig Lust, auf einen seiner beiden Jobs zu verzichten, garantiert ihm doch die politische Aktivität die Wahrung seiner Unternehmensinteressen, ebenso wie die Kontrolle über drei TV-Anstalten den Zugriff auf ein hervorragendes politisches Propagandainstrument. Eine Minderheitsbeteiligung an einer europäischen Holding wäre da die ideale Lösung, denn das geplante Gesetz griffe dann nicht mehr. Nutzen auch für den Medienunternehmer Berlusconi. Zwar hat Mediaset auf dem italienischen Privatfernsehmarkt quasi eine Monopolstellung. Aber für künftige Schlachten auf internationalem Parkett ist die Firma schlecht gerüstet. Die Internationalisierungsversuche der 80er- und 90er-Jahre Richtung Frankreich, Spanien, Deutschland erwiesen sich insgesamt als Flop; über eine nennenswerte Auslandspräsenz verfügt Mediaset bis heute nicht. Kaum präsent ist die Firma bisher auch im digitalen Fernsehen und im Internet. Zwar gründete Berlusconi den italienischen Pay-TV-Anbieter Telepiù, doch er musste sich aus konzentrationsrechtlichen Gründen zurückziehen. Heute wird Telepiù vom französischen Canal + kontrolliert, während der zweite Abo-Sender Stream in Händen der Telecom Italia und Rupert Murdochs ist.

Eine Allianz mit Kirch und Murdoch würde Mediaset mit einem Schlag den europäischen Markt öffnen und das Unternehmen zum Mitspieler auf den internationalen Märkten machen. Weit schwieriger wäre es zudem für Italiens Regierung und Parlament, in Zukunft Berlusconis Medienmacht Schranken zu setzen – eine (bisher auch schon nicht gelungene) Sache ist es, mit Berlusconi allein fertig zu werden, eine andere, sich mit dem dann wohl mächtigsten europäischen TV-Verbund anzulegen. Ratlos zeigt sich angesichts dieser Szenarien deshalb vor allem Massimo D’Alemas Mitte-Links-Kabinett. Erst hatte D’Alema versucht, Berlusconi zu umwerben, dann hatte er auf die gesetzliche Beschneidung der Übermacht seines politischen Gegenspielers gesetzt: Doch gerade jetzt, wo Blitzableiter gegen Berlusconis Mediengewitter installiert werden sollen, droht ein neues Sturmtief im Verbund mit Kirch und Murdoch aus Luxemburg.Michael Braun