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Macdumpf geht auf den Abenteuerspielplatz

■ Jetzt in der Shakespeare-Volkstheater-Company hinter dem Goetheplatz: Der Regisseur Andrej Woron inszeniert „Macbeth“ als zauberhaft beginnenden Bilderbogen, unter dem der Boden aber mehr und mehr verschwindet

Wenn im Schauspielhaus hinterm Goetheplatz Shakespeare auf dem Spielplan steht, haben einige drüben am Leibnizplatz heimlich Muffensausen. Denn in keiner (deutschen) Stadt ist so viel Shakespeare wie in Bremen. Allein die Bremer Shakespeare Company beschert dieser unserer Shakespeare-Stadt so viel Shakespeariences, dass sie jetzt mit der zweiten Lesung (also Einstudierung) sämtlicher Werke begonnen hat und ihrem Hausautor unverändert vor allem die Lizenz zum Witze machen abgewinnt. Zumindest mit einem Stück haben die SpielplanerInnen vom Goetheplatz die Company vom Leibnizplatz jetzt getoppt: Nach der Collage „Macbu“ und der Verdi-Oper „Macbeth“ serviert das Schauspielhaus – nun ja – mit der Original-Tragödie innerhalb weniger Jahre schon zum zweieinhalbten Mal „Macbeth“.

Kulturpolitischer Zwischenruf, nicht ganz frei erfunden: Wozu brauchen wir zwei Orchester? Eins reicht doch auch.

Wenn im Schauspielhaus hinterm Goetheplatz Shakespeare auf dem Spielplan steht, sagen einige drüben am Leibnizplatz unheimlich: Ist doch gut so. Konkurrenz belebt das Geschäft. Und außerdem inszeniert so ein Stadttheater doch ganz anders als ein Ensemble mit einer Geschichte wie die Shakespeare Company. Das galt für „Othello“ (vor rund fünf Jahren). Das galt auch für „Macbu“ (vor wohl vier Jahren). Doch für „Macbeth“ gilt es nicht mehr: Unter der Aufsicht und in der Ausstattung Andrej Worons wird nämlich jetzt auch im Schauspielhaus richtig volkstheatert. Das heißt: Man erzählt Geschichten quasi wie geschrieben, schnörkelt und schlenkert kurz zu Gegenwartsthemen und macht zu diesem Cocktail viele dralle Bilder oder dralle Worte. Nur so krachend komisch (oder kalAua-haft) wie am Leibnizplatz gehts an der Volkstheater-Company vom Goetheplatz nicht zu.

Der Wahlberliner Pole Andrej Woron, der in Bremen mit der „Dreigroschenoper“, „Marat/de Sade“ und – trommelwirbel, tusch, tätärätä – Verdis „Otello“ das Arbeiten am Stadttheater gelernt hat, ist ein Puppenspieler: Er entwirft Leichenmasken, Gnome, Untote, fliegende Bauten und mobile Apparaturen im Modell und übersetzt diese Miniaturen auf Echt-Theater-Maße. Ein Grusical für einen mittelalterlichen – man sagt heute: gothic – Abenteuerspielplatz ist dabei entstanden.

Im Anfang eine leere und beim zweiten Hinsehen sogar fast bodenlose Bühne. Allein auf einer Insel ist ein Berg aus Leichenteilen aufgeschichtet, über die sich die hier von Männern gespielten Hexen hermachen. Diese Weibsbilder mit zottelbärtigen Catweazle-Köpfen machen bald den als Highlander-Gestalten kostümierten Helden Macbeth (Matthias Kleinert) und Banko (Fabian Gerhardt) Platz: Schwer bewaffnet aber doch wie Kinder handeln die beiden, herzen sich bald und fallen bald übereinander her.

Es ist eine Theatermagie, die Andrej Woron da anfangs entfacht: In den leeren Raum zaubert er seine Bilder, lässt die Figuren wie Gespenster aus dem Nichts – also der Unterbühne oder dem Schnürboden – auftauchen. Und bei der großen Hexenszene vom Anfang, als die drei Catweazles Macbeth und Banko das verhängnisvolle Orakel sprechen, geht das sogar so weit, dass man gar nicht weiß, wer Puppe ist und wer Mensch.

Es ist also ein wunderbarer Anfang, aus dem auch so etwas wie eine Vision schimmert: Diese gothic Figuren sind triebgesteuert und zugleich doch zur Reflexion in der Lage. Es sind vernunftbegabte Tiere auf der Bühne, die rülpsen, wenn sie trinken, schnarchen, wenn sie schlafen, und sogar zum Philosophieren fähig sind, wenn sie reden. Auch die Sexualität, die vielen Shakespeare-Inszenierungen fehlt, lässt Woron ausspielen: Beim Sex verhandeln Macbeth und seine Lady (Gabriela Maria Schmeide) über die gemeinsame Karriere. Auch der – alles andere als plump – vertrottelt dargestellte König (Kurt Ackermann) „kann wie ein Mann“, bevor er zu Macbeths erstem Opfer wird.

Doch im Lauf der dreistündigen Spieldauer entpuppt sich dieses Grusical mehr und mehr als bloßes Spektakel. Die optischen Reize der mobilen Bühnenbauten aus Vorhängen, Brücken, Stegen und Treppen verblassen. Es ist ein Bilderbogen, dem die Substanz nach und nach verloren geht. Die ungezählten Klappen, die sich im immer größer und palastiger werdenden Bühnenbild öffnen lassen, die ganze Variationsfülle der Ausstattung markiert nur die Schauplatzwechsel für die Deklamation der Szenen. Für das Archaische hat Woron zwar eine Vision, für das Psycho-Drama um Macht, Schuld und Sühne hat er aber keine. Immer mehr wird die Handlung abgespult, immer äußerlicher wirkt deshalb das Spiel.

Daran hat das Ensemble in dieser mit (wunderbar spielenden) Kindern und Statisten auch opulent besetzten Inszenierung unterschiedlichen Anteil. Neben anderen spielt vor allem Sebastian Dominik (wieder mal) in der Nebenrolle des Macduff die ganze Tragik dieser Figur aus. Dagegen gelingt dies Matthias Kleinert als Macbeth nur in seinen leisen und zweiflerischen Szenen. Sein Toben jedoch wirkt oft aufgesetzt. Der Macbeth ist eine monströse Rolle; das latent Monsterhafte muss man dafür aber auch mitbringen (und ich wüsste schon, wer aus dem Ensemble dafür geeignet wäre). Eher blass-männlich als androgyn setzt Tanja Schupnek in der Rolle des Malcolm den ebenfalls von der Company vertrauten Regieeinfall des Geschlechterrollentausches um.

All diese Mängel kennt man leider – nicht immer, aber öfters – auch vom Theater am Leibnizplatz. Möglicherweise kann eine Stadt wie Bremen zwei, drei, viele Orchester, Theater und so weiter vertragen. Denn Konkurrenz belebt tatsächlich das Theater-Geschäft, und sie deckt eben auch schonungslos Schwächen auf.

Christoph Köster

Weitere Aufführungen von „Macbeth“: 2., 3., 16., 23. und 25. März um 20 Uhr sowie am 19. März um 15.30 Uhr im Schauspielhaus. Karten gibt es unterTel. 365 33 33

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