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Der Potsdamer Platz soll noch schräger werden

Nachdem die Berlinale zum Treppenwitz verkam, sollen die Stolperstufen vor dem Stella-Theater einer Rampe weichen. Dabei hieß es schon vor Jahren: „Vorsicht, Stufen!“

Sind so kleine Stufen, möchte man in Anlehnung an Bettina Wegner singen. Gerade einmal vier Zentimeter sind sie hoch, die Stufen im Eingangsbereich des Stella-Theaters am Potsdamer Platz. Und trotzdem haben sie die Wirkung ausgewachsener Treppen. Eine Boulevardzeitung hat den Potsdamer Platz kurzerhand zum „wahrscheinlich gefährlichsten Ort Berlins“ und das Filmfestival zur „Berlinale der Knochenbrüche, Stürze, Prellungen“ erklärt. Ein anderes Boulevardblatt schlug das Attribut „gefährlich“ gleich der ganzen Berlinale zu.

Am gestrigen letzten Festivaltag schmetterte ein leicht verwirrter bärtiger Mann vom oberen Treppenrand dazu passende Liedzeilen wie „Volare“– nur dass niemand zum Abflug anhob. Zumindest nicht auf besagten Stufen. Nur eine Inderin hatte Pech. Die Dame im Sari fiel auf die Knie, bevor sie überhaupt die Gefahrenzone erreicht hatte.

Als „übertrieben“ bezeichnet der Baustadtrat von Tiergarten, Horst Porath (SPD), die Berichterstattung über „hinterhältige Stolperfallen“. Tatsache sei, dass „Leute gefallen oder gestürzt sind“. Doch: „Das waren unaufmerksame Leute, die nach oben zu den Gebäuden geschaut haben“. Bereits vor einem halben Jahr wurden die obere und untere Stufe mit gelber Farbe gestrichen – farblich passend zum Berlinalebären. Nach einem Vor-Ort-Termin am Donnerstag entschied Porath, auch die restlichen Stufen gelb zu markieren, sobald das Wetter es zulässt. „Mehr kann ich nicht tun.“

Nach seinen Angaben gibt es generell „viele Schadensersatzforderungen im Gehwegbereich“. Im Zusammenhang mit den Stufen am Potsdamer Platz sind derzeit zwei Schadensersatzklagen anhängig. Dabei geht es um Beträge von 2.500 Mark bzw. 6.000 Mark. Doch Porath sieht den Klagen „gelassen“ entgegen. „Es ist kein Pflichtverstoß des Amtes zu erkennen.“

Mittlerweile sind die Architekten vom Potsdamer Platz mit einem Ersatz der Stufen durch eine Schräge einverstanden. Kostenpunkt: etwa 150.000 Mark. Nur ist völlig offen, wer das Geld für die Rampe aufbringen soll. Investor Debis, der Ende Januar noch über „Rekordwerte“ beim Umsatz im vergangenen Jahr jubelte, lehnt die alleinige Finanzierung ab und schiebt dem Baustadtrat den schwarzen Peter zu mit der Begründung, der Platz liege in dessen Bezirk. Doch Porath verweist auf die anhaltende Haushaltssperre. „Auch die Privaten sind in der Pflicht“, gibt er zu bedenken.

Ein Blick in das Berlinale-Archiv zeigt indessen, dass das Thema Stufen schon vor dem ersten Spatenstich auf dem Potsdamer Platz Thema war. Im Jahr 1990 lief im Kurzfilm-Wettbewerb ein sechsminütiger ungarischer Film mit dem Titel „Vorsicht, Stufen!“B. Bollwahn de Paez Casanova

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