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Entschlossene,schöne Gesichter

Das Arsenal zeigt „Running out of time“, einen tragischen Gangsterfilm aus Hongkong

Seit Mitte der 80er-Jahre sind die Filme von Tsui Hark und anderen Hongkongregisseuren gerade auch in Berlin Inbegriff einer leicht melancholischen Eleganz. Während sich hier allerdings vielleicht nur so um die tausend Filmfreunde am wunderschön choreografierten und gern auch ein wenig sentimentalen Hongkong-Kino begeisterten, waren es in ihrer Heimat Millionen.

Immer wenn man das Gefühl hatte, das Actionkino aus Hongkong zeige Ermüdungserscheinungen, die immer aufwendigeren Special Effects würden zum Selbstzweck (wie in „Chinese Ghost Stories 2“ usw.), kamen ganz neue, unerwartete Filme, die einen – nun ja – glücklich machten. Mitte der 90er-Jahre lieferte Wong-Kar Wai die Bilder und vor allem den Ecstasy-Schnitt zum Wachtraumrausch der späten Berliner Technobegeisterung und verband Elemente des Autorenfilms mit großartig choreografierten Schusswechseln. Ein, zwei Jahre später, so um 1997, schienen die Filmemacher aus Hongkong dann wieder den Kontakt zum Zeitgeist verloren zu haben.

Bei der diesjährigen Berlinale dann waren drei Gangsterfilme von Johnnie To eine Offenbarung. Man stolperte aus dem Kino und war sich sicher, das eleganteste, modernste Unterhaltungskino der Welt gesehen zu haben. Ein Gangsterkino, das sich in seinen Schießereien an der avancierteren Kung-Fu-Choreografie orientiert und zuweilen auch an Kurosawa erinnert, ein Kino, in dem man die glänzenden teuren Mercedesse oder BMWs so toll findet, wie die stets fusselfreien Anzüge der Helden oder ihre entschlossenen, schönen Gesichter.

Die Moral der von einer blaustichigen Großstadtsehnsucht geprägten Filme von Johnnie To ist groß in ihrer formalisierten Einfachheit. In „Running out of time“, dem schönsten Johnnie-To-Film, geht es um das seltsame Duell zweier extrem gut aussehenden Helden. Der eine – Wah (Andy Lau) – hat nur noch ein paar Wochen zu leben, lässt sich ein paar Schmerztabletten verschreiben und landet einen ziemlich komplizierten Coup. Er funktionalisiert seinen Gegenspieler – den äußerst cool-melancholisch wirkenden Inspektor Sang.

Alle paar Minuten gibt es neue, überraschende Wendungen, viel Tragik und berückend schöne Bilder. Beide mögen sich, sind aber superloyal und müssen diesen Konflikt nun auf sehr komplizierte Weise verhandeln. Das Ende des Films ist beeindruckend moralisch. „Das Reale ist das Alltagsleben, aber wir sollten das Irreale stärker beachten“, sagt der 44-jährige Regisseur.

Detlef Kuhlbrodt

„Running out of time“, Regie: Johnnie To. Mit Andy Lau u. a.. Japan 1999, 92 Minuten. Heute, 19 Uhr, im Arsenal, Welserstraße 25

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