American Pie: Die Macht der Drogen
Der Baseballspieler Darryl Strawberry muss seine dritte Kokainsperre absitzen
And them good ol’ boys were drinkin whiskey and rye
Die Entscheidung war Bud Selig nach eigenem Bekunden nicht leicht gefallen. „Am Ende konnte ich Darryls frühere Verfehlungen aber nicht ignorieren“, erklärte der Commissioner der Major League Baseball (MLB). Selig sperrte Darryl Strawberry von den New York Yankees wegen seines dritten Kokainverstoßes für ein Jahr. Wahrscheinlich das Karriereende für den 37-Jährigen, dessen Laufbahn als eine der bewegtesten in die Geschichte des Baseball eingehen wird.
Darryl Strawberry ist der Prototyp jener Sportgrößen, die bei den Teamkollegen als gute Kumpels gelten, bei den Fans beliebt sind, in ihrem Privatleben aber immer wieder unter Beweis stellen, dass sie gar so nette Jungs nun doch nicht sind. Strawberry kam 1983 in die Liga zu den New York Mets, wurde zum besten Neuling der Saison gewählt und war dank seiner Treffsicherheit mit dem Schläger bald auf dem besten Weg Richtung Hall of Fame. Wären da nicht diverse Anklagen und Verurteilungen wegen Steuerhinterziehung, Misshandlung verschiedener Lebenspartnerinnen, Vaterschaftsklagen, unterbliebene Zahlungen von Alimenten und vor allem Alkohol- und Drogenprobleme gewesen.
Nach acht Jahren bei den Mets ging Strawberry zu den Dodgers in seine Heimatstadt Los Angeles. Diese entließen ihn 1994, während er im Betty Ford Center eine Alkohol- und Drogen-Entziehungskur absolvierte. Danach spielte er bei den San Francisco Giants, die ihn 1995 rauswarfen, als er seine erste Kokain-Sperre von 60 Tagen bekam. Erneut kämpfte er sich über die Minor Leagues heran und unterschrieb bei den New York Yankees.
Familiär gelang ihm der Sprung in ruhigeres Fahrwasser – mit seiner derzeit im fünften Monat schwangeren Frau Charisse und vier Kindern lebt er in Tampa/Florida – kam jedoch vom Kokain nicht los. Im Herbst 1998 komplizierten sich die Dinge, als man Darmkrebs bei ihm diagnostizierte und er operiert wurde, während seine Yankees die World Series gewannen. Im April 1999 wurde er dann in Tampa wegen Kokainbesitzes verhaftet, nachdem er auf eine Prostituierte hereingefallen war, die sich als Undercover-Agentin entpuppte. Als Grund für diesen Rückfall in alte Gewohnheiten gab Strawberry Depressionen wegen der Chemotherapie an, der er sich weiter unterziehen musste. Er wurde zu einer 18monatigen Bewährungsstrafe sowie zur Teilnahme an einer Rehabilitation mit regelmäßigen Kontrollen verurteilt und bekam eine 120-Tage-Sperre von der MLB. Der Richter in Florida wies ihn an, bestimmten Bars in Tampa fern zu bleiben, und ließ Strawberry sogar einen Stadtplan mit „heißen Flecken“ aushändigen, die er zu meiden habe.
In Columbus, bei einem Team der International League, brachte er sich wieder in Form und spielte tatsächlich eine wichtige Rolle beim erneuten World-Series-Gewinn der Yankees im vergangenen Oktober, als er in den Playoffs auf eine exzellente Trefferquote von 33 Prozent kam.
Vieles deutete darauf hin, dass Darryl Strawberry sein Leben in den Griff bekommen hatte. Umso entsetzter war man bei den Yankees, als bekannt wurde, dass am 19. Januar ein weiterer Kokaintest positiv ausgefallen war. „Meine ersten Reaktionen waren Ungläubigkeit und Schock“, sagt Pitcher David Cone, „es schien alles so gut zu laufen.“ Einen Vorwurf wollte niemand dem Teamkollegen machen. „Das zeigt einfach die Macht der Drogen“, meinte Shortstop Derek Jeter. Selbst der knorzige Boss der Yankees, George Steinbrenner, versprach: „Ich werde ihn unterstützen. Wenn es im Baseball ist, gut. Wenn es außerhalb des Baseballs ist, auch gut.“
Dass Darryl Strawberry, der acht Mal All Star war und 335 Karriere-Homeruns geschlagen hat, noch einmal den Weg zurück zu den Yankees findet, scheint fraglich, aber nicht unmöglich. Seine Zähigkeit hat er oft genug bewiesen. Dass die Sentimentalität auch bei den New York Yankees ihre Grenzen hat, ließ Manager Joe Torre erkennen: „Wir machen einfach weiter. Man lernt, mit Rückschlägen zu leben.“
Matti Lieske
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen