piwik no script img

„Männer haben alles gefressen“

Thomas Scheskat ist Therapeut, Persönlichkeitstrainer und Mitgründer des Göttinger Instituts für Männerbildung

taz: Erfolgreiche Unternehmer, meistens Männer, werden in den Medien als neue Helden bejubelt. Wird das traditionelle Bild vom Mann, der im Beruf kämpfen und siegen muss, wieder modern?

Thomas Scheskat: Es mag sein, dass jetzt wieder Rollenbilder von siegreichen Einzelkämpfern in der Wirtschaft verkauft werden. Aber der Alltag der meisten Männer ist viel gebrochener.

Worunter leiden die Männer?

Die Männer stehen unter großem Druck im Beruf, auch auf Grund der Globalisierung. Auf dem Jobmarkt treten jetzt auch Frauen als Konkurrentinnen auf. Andererseits wollen die Frauen einen Mann, der im Haushalt und bei der Kinderbetreuung mitmacht. Das müssen die Männer unter einen Hut bringen.

Tun sie aber doch nicht. Laut Statistik nehmen nur wenige Männer Erziehungsurlaub.

Weil der berufliche Erfolg immer noch Macht und Kontrolle in der Gesellschaft verspricht. Wenn Männer befürchten, im Betrieb als nicht voll leistungsfähig zu gelten, empfinden manche das wie eine Kastration.

Liegt das auch an den Frauen, die nur beruflich erfolgreiche Männer sexuell attraktiv finden?

Manche Frauen strahlen doppelte Botschaften aus: Einerseits soll der Mann zu Hause voll mitmachen, andererseits aber auch finanzielle Sicherheit bieten. Männer wiederum geraten in ein Dilemma. Wenn sie beruflich zurückstecken, werden sie im Betrieb abgemeiert. Zu Hause aber vermitteln viele berufstätige Frauen auch, dass sie sich bei Haushalt und Kinderbetreuung für fähiger halten.

Wie kann man das Dilemma auflösen?

Männer müssten Unvereinbarkeiten früher wahrnehmen und ansprechen. Ein typischer Fall aus meiner Beratung ist der junge Wissenschaftler, der sich habilitieren will. Seine Freundin möchte auch ihre Doktorarbeit fertig stellen und ist schwanger. In der Beratung stellt sich dann heraus, dass völlig unklar ist, wer sich dann nach der Geburt wie um das Kind kümmert.

Ist es schwieriger als früher, Job- und Familienwünsche zusammenzubringen?

Für beide, Männer und Frauen, ist es schwierig. Sie müssen verhandeln, immer wieder aufs Neue. Die Männer müssen aber auch endlich mal die Rollenbilder hinterfragen, mit denen sie beschossen werden.

Wie das?

Männer haben immer alles gefressen: Erfolgsdruck, Statuszwänge, aber auch den Feminismus mit seinen Ansprüchen. Die Männer müssen nun endlich mal die Definitionsmacht über ihre eigenen Rollen übernehmen und auch mal sagen: Ich lass’ mich nicht mehr unter Leistungsdruck setzen. Es geht darum, was die Männer wollen, nicht, was sie sollen.

Interview: BARBARA DRIBBUSCH

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen