: March and Money Madness
Der Dachverband NCAA der US-amerikanischen College-Basketballer setzt immer mehr Geld um, verlangt aber von den Spielern, sich penibel an ein rigides Amateurstatut zu halten
von JENS PLASSMANN
Zunächst die Frage: Welche Sportorganisation verlangt von Athleten Edelmut und Amateurgeist und hat gleichzeitig die tiefsten Taschen, in denen schon mal der eine oder andere Dollar gehortet wird? Das IOC? Könnte man denken. Doch selbst die Herrscher über die fünf Ringe mussten sich mittlerweile offen zum Profitum ihrer Olympioniken bekennen, um den Marktwert ihres Produkt zu retten.
Oder ist vielleicht die NCAA gemeint? Als größter Dachverband des Unisports in den USA organisiert sie alljährlich die Collegemeisterschaften im Basketball, eines der wirtschaftlich bedeutendsten Sportereignisse. 545 Millionen Dollar lässt sich CBS künftig die Rechte an der March Madness kosten. Die Bundesligarechte sind zurzeit dreimal billiger zu haben.
Zugleich verfolgen die Herrscher über den Studenten-Basketball mit penetranter Akribie den kleinsten Verstoß ihrer Spieler. Im Amateurkodex ist in einer Unmenge von Paragraphen ihr Verhalten vorgeschrieben. Bestraft wird, selbst wenn das Vergehen vor dem Eintitt ins College lag. So wurden in den vergangenen Wochen wiederholt Spieler gesperrt, weil sie sich in der High School von Dritten bei der Begleichung der Schulgebühren unterstützen ließen. Erick Barkley vom St. John’s College etwa wurde gleich zweimal gesperrt, weil er sich von einer kirchlichen Organisation im Vorfeld des Studiums sponsern ließ und ein zu teures Auto gegen sein Gefährt eintauschte. Und es wurden Spieler suspendiert, weil sie vor ihrer Collegezeit kurzzeitig mit einem direkten Sprung in die NBA liebäugelten.
Zu Beginn des Saisonhöhepunkts kursiert unter den Collegecoaches die Angst, wer wohl den Tugendwächtern als nächstes auffallen könnte. Um verhängnisvolle Kontakte – etwa zu aufdringlichen Agenten – zu vermeiden, werden Spieler im Hotel unter falschem Namen einquartiert oder es wird die Campus-Polizei zur Bewachung abgestellt.
Bei den Spielern wächst der Unmut darüber. Sie wollen eine Spielergewerkschaft gründen, was wohl auch juristische Auseinandersetzung und Prozesse nach sich ziehen würde, die die NCAA fürchtet wie der Teufel das Weihwasser. Jüngst musste die NCAA Assistenztrainern einen zweistelligen Millionenbetrag nachzahlen, weil diese zu schlecht entlohnt worden waren.
Einstweilen spielen die Nicht-Suspendierten weiter Basketball. Sehr gut sogar. Selten war das Spitzenfeld so breit, das Verfolgerfeld so gefährlich. Eine Ursache für diese Ausgeglichenheit dürfte im vorzeitigen Abgang vieler Ausnahmetalente liegen, wodurch der Aufbau wirklich dominanter Dynastien erschwert wird.
Zudem rekrutieren die Colleges verstärkt internationale Nachwuchstalente, Hoopster, was generell die Auswahl und das Spielniveau verbessert. Auch die NBA ist erfreut, weil sie stets auf der Suche nach neuen Identifikationsfiguren ist. Viel versprechendster Exportartikel: Eduardo Nájera, 2,04 Meter großer Power Forward der Oklahoma Sooners, der im heimischen Mexiko schon jetzt einen kleinen Basketballboom ausgelöst hat.
Die spielerische Qualität und Reife dieser Freshmen nimmt immer stärker zu, sodass diese Studienanfänger sehr schnell in die Rolle von Leistungsträgern hineinwachsen. Bestes Beispiel hierfür: Vorjahresfinalist Duke Blue Devils, aus dessen Kader im vergangenen Sommer vier Spieler in die NBA wechselten. Mit sechs Neulingen angetreten, verlor Duke zwar prompt seine ersten beiden Saisonspiele, hat seitdem jedoch eine imposante Bilanz. Als klarer Titelfavorit gilt das Team trotzdem nicht. Da sind die Spartans aus Michigan State und die Cardinals aus Stanford und die Wildcats aus Arizona und andere. Noch nie waren die Tipps auf die Finalisten so vielfältig, Folge eines Nivellierungsprozesses innerhalb des College-Basketballs.
Und: Der K.-o.-Modus bei diesem Turnier bürgt für verrückte Überraschungen. March Madness eben. Von dieser irrwitzigen Spannung könnte sich manch dröge altkontinentale Meisterschaft mit endlosem Gruppen-Geplänkel etwas abschauen.
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