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schnittplatz Der Fluch der Verknoppung

Lange Zeit war Peter Hahne ein warmer bis heißer Kandidat, nun ist es aber doch Hitler geworden: das offizielle Maskottchen des ZDF. Mit der Ausstrahlung der neuen Doku-Soap „Hitlers Kinder“ (Dienstag, 20.15 Uhr) konnte der Mainzer Lach- und Sachsender dem Diktator aus Braunau einen weiteren durchschlagenden Quotenerfolg verschaffen. Zur Sicherheit und als Senderkennung schob man aber sicherheitshalber um 0.30 Uhr noch einmal „Hitler – der Privatmann“ hinterher.

Natürlich kommt auch dieser in bewährter Manier remixte und gesampelte Sechsteiler aus der Werkstatt des dafür immer zuständiger werdenden Guido Knopp. Mit jeder Sendeminute, die uns der knoppäugige Beau beschert, wächst sein guter Ruf als amtlicher Hitlervermittler der fernsehenden Info-Elite. Durch exakte Zuschauervermessung mit gigantischen Auswertungscomputern wissen Guido Knopp und die ihm rückhaltlos ergebene Redaktion „Zeitgeschichte“ des ZDF, wie viel Diktator ein Mensch pro Tag verkraftet.

Für die zeitgemäße Vermittlung von Vergangenem hat Knopp drei gußeiserne Regeln aufgestellt, die in der Geschichtsforschung mittlerweile schon den Rang eines Dogmas haben, auf Fachtagungen und Historikerstreitkongressen begeistert kopiert und weitergereicht werden: 1. Zeitzeugen müssen immer im Dunkeln sitzen, damit sie uns besser sehen können. 2. Bilder von nächtlichen Detonationen passen immer. 3. Der fuchtelnde Führer kommt auch ohne Ton ganz gut.

Verwirrte Wissenschaftler fragen sich schon jetzt, wie Hitler und sein Drittes Reich ohne Guido Knopp überhaupt möglich gewesen sein konnten. Für die Zukunft ist Knopp jedenfalls bestens gerüstet: Am Dritten Weltkrieg besitzt er schon jetzt alle Sende- und Verwertungsrechte.

So viel Erfolg schafft Neider und, was schlimmer ist, Nachahmer: Dieser Tage erscheint im List Verlag „Hitlers Frauen“ von Erich Schaake und parallel im Europa Verlag „Ärzte als Hitlers Helfer“ von Michael H. Kater. Und man fragt sich, welche Stoffe sich denn noch für die telegene Verknoppung eignen. Wir jedenfalls empfehlen einen Mehrteiler über uns, die Zuschauer („Hitlers Opfer“), zwölf Folgen über Ersatzteile („Hitlers Autos“), und, je nach Forschungslage, ein bis drei Folgen der neuen Super-Doku-Soap „Hitlers Eier“. OLIVER MARIA SCHMITT

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