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schnittplatzTVs Tierleben:Ein Fernsehidyll

Wiesen, Weiher, sanfte Sonne. Es zwitschert, schnattert, gurrt, zirpt, planscht wer oder was. Große weiße Vögel steigen auf. „Aber auch in diesem Paradies“, spricht die Off-Stimme, „lauert die Gefahr. Die Augen des Kaimans sind wachsam.“ Ein tastender Zoom, und der Voyeur glotzt, vorbei an rauchergelben Hauern, hinein in den Rachen, den dunklen Schlund der Animalität.

Fotografie, wusste Siegfried Kracauer, errettet die Wirklichkeit, machte es möglich, die Physis der Realität zu entdecken. Keine Großeinstellung des Tierfilms erheischt überdrehte Aktionen, keine Bilderfolge Szenen, die nicht der Gemächlichkeit Genüge leisten.

Forschergeist und Kontemplation, Beobachtung und Begeisterung fallen in eins. Die Freiheit des Naturfernsehens von Effekt, Wackelkamera und Montage kennt nur die Dramaturgie Vitalität vs. Stumpfsinn. Musik, der Kleister falscher Emotionen, entfällt fast immer.

Kleine Grabeulen erlauern „schwierige Beute“. Ein Falke funkt dazwischen. „Jetzt . . . ein Käfer, ihre Lieblingsbeute. Sie wird angepeilt. Doch ein anderer, viel größerer Käfer zieht seines Weges.“ Derweil mampft das Reptil „schmatzend die Beute, die es unter Wasser aufgespürt hat“, wohin wir Gott sei Dank nicht gucken konnten.

In solchen Filmen gibt es Dörfer, die mehr Störche als Einwohner haben, ein Versprechen an eine heile Welt. Fischotter tauchen im klaren Wasser, und in den Wäldern trifft der Fernsehende auf Wisente und Elche – kein schöner Land ringsum, in ruhigen, satten Bildern. Zu besichtigen ist dieser tiefe Friede auch heute Abend wieder: „Wildes Masuren – Polens Bilderbuchlandschaft und ihre Tierwelt“ (20.15 Uhr, WDR)

Eine Idyllik: weder Meinungen noch Visagen. Selbst wo die Anthropomorphisierung, vor allem bei Fickritualen, ins Spiel kommt, obsiegt die Kreatur. „Darum scheint es uns auch immer“, so Egon Friedell, „als ob über Pflanzen und Tieren eine eigentümliche Melancholie gebreitet sei“, denn sie wissen nicht, was sie sind, was sie uns sind: das Versprechen einer Welt jenseits des Verwertungsdiktats.

Die Geschichte des Tieres ist Wiederholung. Sein Anblick suspendiert den fanatischen Wiederholungszwang einer Gegenwart ohne Geschichte, die dümmer dünkt denn jedes Insekt. Egal ob an polnischen Seen oder im tropischen Forst.

„Faulenzen ist das Beste. Das wissen die Scherenschwänze“, bräselt die Stimme aus dem Off, „doch die Vorstellung der Wasserschweine ist noch nicht zu Ende. Jetzt wälzen sie sich vergnügt im Schlamm.“ Die guten, guten Sauweiber und -kerle.

JÜRGEN ROTH

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