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Aus Rücksicht auf die nächste Generation fordert Berlins Ex-Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD) Einsparungen / Sie fordert: Sozialstaat ja, „Scheindebatten“ neinStadtstaaten: Last exit Sanierung

Um die Finanzen eines Stadtstaates zu sanieren, muss man auch die Länder-Neugliederung zum Thema machen. Das ist für Annette Fugmann-Heesing (SPD), frühere Berliner Finanzsenatorin, die Antwort einer modernen SPD auf die Finanzprobleme der Stadtstaaten. Auf Einladung des Freundeskreises der taz und der Heinrich-Böll-Stiftung diskutierte Fugmann-Heesing am Montagabend über die Sanierung der Stadtstaaten.

Statt der „Wir-schaffen-das-schon“-Worthülsen Bremer Politiker sprach die Berlinerin Klartext in Sachen herber Spareinschnitte. Das war erfrischend, traf aber so manchen Sozialdemokraten schmerzlich. „Ich bin seit 40 Jahren in der SPD“, sagte zum Beispiel Ex-Bildungssenator Horst von Hassel. Und was Fugmann-Heesing da erklärte, war zwar fundiert, wie er fand, hatte aber mit dem alten Verständnis von SPD-Politik zum Schutz der Schwachen nicht mehr viel zu tun.

„Die neuen Antworten liegen nicht mehr entlang der alten Partei-Linien“, erklärte Fugmann-Heesing. Den „Generationenvertrag“ gebe es für sie nicht nur in der Rentenpolitik. „Es muss ihn auch in der Sozialpolitik geben. Konsolidierung ist die Voraussetzung, um den Sozialstaat überhaupt zu erhalten.“ Denn ohne finanzielle Einschnitte sei in 20 Jahren die Schulden- und Zinslast der öffentlichen Hand so hoch, dass die Haushalte völlig stranguliert würden. „Dann könnten wir uns nicht mal Schulen finanzieren.“ Die Sanierung sei im Grunde ohne Alternative.

„Gerade in Konsolidierungsphasen gibt es keine typischen SPD/CDU Antworten mehr“, meinte Fugmann-Heesing. Da hätten sich die Positionen zum Teil sogar umgedreht. Beispiel: Sozialer Wohnungsbau – bislang das klassische Feld sozialdemokratischer Politik. In Berlin gibt es nach ihren Schätzungen zwischen 40.000 und 60.000 leerstehende Wohnungen, berichtet die SPD-Finanzexpertin. Warum da noch sozialen Wohnungsbau, fragte sie und stoppte als Berliner Senatorin die Programme. „Was vor zehn Jahren richtig war, muss heute nicht mehr richtig sein und kann bald wieder anders sein.“

Bislang war immer der Staat für alles zuständig, meint Fugmann-Heesing. Seit den 60er Jahren hätte man sich an das Konsumieren der Leistungen gewöhnt. Jetzt müsse sich der Staat als „Sorger für alle“ zurückziehen, fordert sie.

Und wie – wenn überhaupt – kann man Stadtstaaten sanieren? Falsch hält Fugmann-Heesing die Bremer Sprachregelung, nach der Investieren gut und konsumtive Ausgaben eher unproduktiv seien. Für sie ist das eine „Scheindebatte“, gerade der Bildungsbereich sei nach dem Haushaltsrecht „konsumtiv“, für die Zukunft aber vielleicht wichtiger als Investitionen.

2,5 Prozent des Haushaltes gibt der Berliner Senat für Kultur aus. In Bremen sind das weniger als ein Prozent. Aber auch in Berlin wurde bei der Kultur gespart: „Wir hatten mal ein Operetten-Theater“, erzählt Fugmann-Heesing. Das ist irgendwann Pleite gegangen. Mit den 25 Millionen Mark im Kultur-Etat wurden anderen Einrichtungen gesichert. Aber sollte das Geld den anderen wieder weggenommen werden, um eben jenes Metropol neu zu eröffnen?

Auch unpopuläre Entscheidungen standen bei Fugmann-Heesing bis zu ihrer Abwahl 1999 auf der Tagesordnung, um Einnahmen zu erzielen: Erhöhung der Gewerbe-steuer. Pfiffe von den Gewerkschaftern als es um Privatisierungen ging. Pfiffig dagegen ihre Idee, eine Zweit-Wohnsteuer zu erlassen, damit die Ex-Bonner ihren ersten Wohnsitz in Berlin anmelden und dort Steuern zahlen. Damit hätten sich die Einnahmemöglichkeiten fast schon erschöpft.

Und die Länder-Neugliederung? Fugmann-Heesing sieht es als „verpasste Chance“, dass Berlin damals nicht mit Brandenburg fusionierte. „Bei Krankenhäusern, Schulen und Verkehr ist es besser, wenn für die Region gedacht wird.“ Stattdessen gebe es jetzt eine Konkurrenzsituation mit dem brandenburgischen Umland. Mit dem Resultat, dass „viele, viele Strukturen doppelt geschaffen werden“.

Gegenüber dem Bremer Vorschlag einer Regionalkörperschaft mit Umland-Gemeinden, wie jetzt von Bremens Staatsrat Reinhard Hoffmann (SPD) vorgeschlagen, ist Fugmann-Heesing skeptisch. So ein Verbund könne nur freiwillig zustande kommen. Aber wenn Bremen sich daraus finanzieren wolle, würden andere kaum zustimmen.

Nach zweieinhalb Stunden Diskussion blieb nur noch eine Nachfrage: Gibt es irgendwelche finanziellen Vorteile, die ein Stadtstaat hat. Die Antwort, kurz und knapp: „Ich sehe sie nicht.“ pipe

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