piwik no script img

der papst in nahostEIN GELUNGENER BALANCEAKT

Alle sind zufrieden, und das zu Recht. Diese symbolträchtige 91. und vielleicht letzte Auslandsreise von Johannes Paul II. kann der Vatikan als vollen Erfolg verbuchen. Der Papst hat im konfliktgeladenen Nahen Osten souverän einen politisch-religiösen Balanceakt bewältigt, den man dem Hüter überkommener Dogmen nicht ohne weiteres zugetraut hätte.

Der Pontifex Maximus hat sich zum Fürsprecher des palästinensischen Volkes gemacht, dessen jahrzehntelanges Leiden nachempfunden und angeprangert und das Recht der Palästinenser auf Selbstbestimmung in einem eigenen Staat unmissverständlich eingefordert. Das Küssen der palästinensischen Erde war ein Akt höchster Symbolik, mit dem das katholische Oberhaupt auch die Herzen der muslimischen Palästinenser erobert hat. Dem Zusammenleben von Christen und Muslimen im Heiligen Land kann das nur förderlich sein. Jassir Arafat darf zufrieden sein.

Aber nicht nur die Palästinenser, auch die Israelis haben allen Grund, den Besuch des Papstes als Erfolg zu werten. Hat der Vatikan doch damit in selten demonstrativer Weise das Existenzrecht des Staates Israel anerkannt. Und eine Brücke der Versöhnung zwischen Juden und Christen gebaut. Das päpstliche „mea culpa!“ zu Beginn des Monats, mit dem Johannes Paul II. sich für vergangene Untaten der Christenheit entschuldigen wollte, mag in Israel als zu schwach und zu allgemein verstanden worden sein. Mit der Verurteilung des Antisemitismus als „Sünde gegen Gott und die Menschheit“ hat er sein Schuldeingeständnis vorteilhaft präzisiert. Und mit seinem heutigen Besuch der Gedenkstätte Jad Vaschem korrigiert er leibhaftig die mörderische Ignoranz des Heiligen Stuhls gegenüber der Schoah. Damit nimmt er auch jenen orthodoxen Juden den Wind aus den Segeln, die in der Mission des Papstes eine Gefährdung ihrer Ansprüche sehen.

Die Pilgerreise des Papstes ist zu einem politischen Höhepunkt des Heiligen Jahres 2000 geworden. Johannes Paul II. hat nicht nur Israelis und Palästinensern, sondern allen Gläubigen der drei Buchreligionen ins Stammbuch geschrieben, dass Frieden die Anerkennung der Würde und den Respekt vor dem anderen zur Voraussetzung hat. Damit hat er sich ein großes Verdienst erworben. Besseres kann dem Vertreter Petri auf Erden vor dem absehbaren Ende einer umstrittenen Amtszeit kaum nachgesagt werden.

GEORG BALTISSEN

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen