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Jetzt mal schön stabil bleiben

Deutsche Meisterschaft im Halbmarathon: Wie Carsten Eich sich zum Sieg in schnellen 62:47 Minuten taktiert, seine Leistungsfähigkeit optimistisch hochrechnet und von großen Taten beim olympischen Marathonlauf in Sydney träumt

Aus FreiburgMIRJAM FISCHER

Carsten Eich (30) war am Samstag nach Freiburg gekommen, um sich bei der deutschen Halbmarathon-Meisterschaft den letzten Schliff für Hamburg zu holen. Denn in der Hansestadt will der gebürtige Leipziger am 16. April seinen Leistungsstand über die Gesamt-Marathondistanz von 42,2 Kilometer testen: die letzte Standortbestimmung vor Olympia in Sydney. Die Halbmarathon-Meisterschaft in Freiburg gewann er überlegen in schnellen 62:47 Minuten und war glücklich, wieder einmal festgestellt zu haben, wie schnell er bereits im März sein kann. Zum anderen aber „und eigentlich“, sagte Eich nach dem Rennen, „ging es mir nur darum, der Konkurrenz zu zeigen, dass ein Ticket nach Sydney nur über mich zu bekommen ist“.

Seine Qualifikation für den olympischen Marathon 2000 hatte sich Eich, der seit zwei Jahren für den Proficlub Quelle Fürth startet, bereits im November beim Köln-Marathon erkämpft. Eine Minute unter seiner persönlichen Bestzeit, hatte Eich in 2:11,56 Stunden gewonnen. „Das ist aber leider noch lange kein Grund, sich jetzt vor irgendwelchen wichtigen Rennen zu drücken“, sagt er, wo doch Qualifikationen manchmal eine ganz knappe Sache sind. Zwar hatte Eich die Norm erfüllt, aber wäre er nur fünf Sekunden langsamer gelaufen, wäre es mit der Reise nach Australien nix geworden. „Die Norm lag bei 2:12 Stunden, ich habe es gerade noch geschafft. Also“, sagte Eich, „hämmerte ich mir immer wieder ein: Pass auf, dass da jetzt nicht noch einer bis zum ersten Frühjahrsmarathon schneller rennt als du und deinen Platz ab bekommt.“

In Freiburg lief der Ex-Europarekordler im Halbmarathon von 1993 schließlich allen davon. Topfavorit Stephan Freigang vom LC Cottbus hatte sich entschieden, noch ein Höhentrainingslager in Kenia einzuschieben und Freiburg abzusagen. Dafür zog Michael Fietz (LG Münster) das Tempo an. Der 33-jährige Bochumer, zuletzt knapp eine halbe Minute langsamer als Eich, wollte es dem Konkurrenten endlich einmal zeigen: den ersten Kilometer unter drei Minuten, den zweiten wieder, 5:40 Minuten an der 2.000-Meter-Marke. Fietz ging aufs Ganze. Und verrechnete sich gnadenlos.

Eich: „Bei Kilometer fünf, sechs wurde es mir zu langsam. Da habe ich gedacht: Jetzt haben wir so wunderbar schnell angefangen, das werden wir doch jetzt nicht wieder kaputtmachen. Jetzt werden wir mal schön stabil bleiben und knapp unter drei Minuten pro tausend Meter weiter laufen.“

Carsten Eich hatte sich nicht verrechnet: Die Kondition reichte bis ins Ziel. „100 Prozent habe ich in keiner Sekunde gegeben – da war immer noch Luft für mehr“, sagte er. Und Fietz? Dem blieb nur Platz 2, mit langen 1,5 Minuten Rückstand. Eich konnte triumphieren: „Jetzt habe ich Selbstvertrauen für Hamburg und weiß, dass ich dort noch schneller sein werde als in Köln.“

Psychologisch war der Sieg wichtig: Seit Jahren war kein Deutscher die Halbmarathon-Distanz mehr unter 63 Minuten gelaufen. Physisch hätten es die Athleten einfacher haben können. Eich war es im Retortenstadtteil Rieselfeld, im neuen Freiburger Westen, streckenweise zu windig gewesen. „Die lange Gerade da an der Autobahn war nicht gerade so lustig, da hat es mir ganz schön ins Gesicht geblasen“, schimpfte Eich. Ein bisschen langweilig, aber wenigstens flach und schön schnell.

Nur: letztlich doch wieder nicht schnell genug. Jedenfalls nicht für den internationalen Vergleich. „Aber ich rechne jetzt einfach mal hoch“, tröstete sich der Gewinner von Freiburg: „Bei Olympia hat man eine ganz andere Konkurrenz, da sind immer welche vor dir, Tempomacher und diese ganzen Geschichten – und dann kann ich auch viel schneller laufen, davon bin ich überzeugt.“ Dass es bei der DM gut laufen würde, war Eich vorher klar, sagt er. Nach vier Wochen Höhentraining in Afrika „habe ich mich so gut gefühlt, da konnte nix schief gehen“.

Jetzt wird nur noch Hamburg wichtig sein: Am liebsten will Eich vor Sydney noch seine persönliche Bestzeit von 2:10,22 Stunden vom vorigen Hamburg-Jahr unterbieten, um Bundestrainer Winfried Aufenanger noch mehr von seiner Leistungsfähigkeit zu überzeugen. „Unter die ersten zehn bei Olympia – das wäre mein Traum“, sagt Eich. Nach Hamburg, nach weiterer Regenerationsphase und nach der nächsten Marathon-Vorbereitung mit Höhentrainingslager „und viel, viel Training auf höchstem Niveau“.

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