berliner szene: Soldaten sehen dich an
HINTERLAND
Meistens sieht man sie in der Friedrichstraße oder seltener am Hackeschen Markt. Sie schauen aus verdunkelten Scheiben heraus, sitzen in einem verdunkelten Bus, und ihre Züge sind ebenfalls verdunkelt: Bundeswehrsoldaten. Sie werden durch die Stadt kutschiert, offensichtlich zu Bildungszwecken oder weil der Manövergeländeschlamm viel zu trocken ist und das Rödeln so keinen Spaß macht – sie müssen also die Hauptstadt begutachten. Die Hauptstadt des Landes, das sie verteidigen müssen. Aber sie haben nicht die Muße, viel zu sehen. Ihre Gesichter sind, glauben Sie’s ruhig, immer finster. Weil sie Helden sind? Weil Krieg ist? Nein, es scheint eher, als ob sie wissen, wer da zurückschaut – ein freier Mensch, Ex-Zivi und freiwillig gebildet.
Ein anderes Beispiel: Sie stehen in Ausgehuniform da, das Käppi (sie nennen es neckisch: das Schiffchen) salopp unter die Schulterstücke gedrückt, und es werden ihnen Sehenswürdigkeiten erklärt. Schauen Sie sie nur ein bisschen an, frei und frech und ohne Scheu, und schon sehen Sie, wie sich Gewitterwolken und Knüppelberge über den Köpfen der Soldaten bilden. Und das ist nur zum kleinsten Teil der Hass auf ihren Arbeitgeber, der sie in lustige, schnieke Uniformen zwängt. Nein, sie ärgern sich, dass sie solche Kroppköppe wie Sie und mich mitsamt dieser schäbigen Hauptstadt verteidigen müssen. Die alte Geschichte vom Dolchstoß: Die Truppe wird durch das Hinterland verraten. Dabei ist ja noch Frieden.js
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