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Rebellion der Elitekapitalisten

Seine Rücksicht auf die Investmentbanker von Dresdner Kleinwort Benson kostete Dresdner-Chef Bernhard Walter den Job

von HANNES KOCH

Sie fädeln milliardenschwere Firmenfusionen zwischen Hongkong und New York ein. Sie suchen im Nahen Osten, welchen unentdeckten, aber schicken High-Tech-Betrieb man an die Londoner Börse bringen könnte. Für einen nicht unvermögenden Kunden schieben sie schon mal 500 Millionen Dollar über die internationalen Finanzmärkte. Immer auf der Suche nach dem nächsten hoch profitablen Großgeschäft – das sind die Investmentbanker von Dresdner Kleinwort Benson. Ausgerechnet ihre Abteilungen sollten im Zuge der Übernahme der Dresdner durch die Deutsche Bank abgewickelt, verkauft und filetiert werden.

So hatte es sich Josef Ackermann ausgedacht, der Investment-Chef der Deutschen Bank. Doch Dresdner-Bank-Vorstand Bernhard Walter wollte nicht einwilligen, seine wichtigsten und teuersten MitarbeiterInnen in die Wüste zu schicken. So sagte er die Fusion am Mittwochnachmittag schlicht ab. Das hat ihn nun den Job an der Spitze von Deutschlands drittgrößter Bank gekostet. Sein Nachfolger: Bernd Fahrholz.

Walter hat der Allianz-Versicherung, die sowohl an der Deutschen als auch der Dresdner Bank große Aktienpakete hält, ein Riesengeschäft vermasselt: die Übernahme der Bankfilialen beider Geldhäuser und damit die lukrative Kombination von Bank- und Versicherungsgeschäft. „Das wird sich rächen“, prophezeiten führende Gewerkschafter. Aus „Kreisen“ des Aufsichtsrates der Allianz wurden den ganzen gestrigen Tag Gerüchte kolportiert, denen zufolge Versicherungschef Henning Schulte-Noelle sich Walters schon ausgesucht hätte.

Nicht ganz ohne Grund hatte sich Ex-Vorstandssprecher Walter vor Kleinwort Benson gestellt. Die rund 7.500 SpezialistInnen – jeweils die Hälfte arbeitet in Frankfurt und London – bilden die wohl zukunftsträchtigste Sparte der Dresdner Bank. Mit Leuten wie ihnen wollen Geldinstitute in Zukunft den Großteil ihres Profits erwirtschaften. Schon heute stammt etwa ein Drittel der Einnahmen der Dresdner Bank aus Provisionen, die zum guten Teil das Investmentgeschäft erbringt. Und die Deutsche Bank erzielt damit mehr als die Hälfte ihres Gewinns.

Die Bedeutung der Kleinwort-Benson-Banker schlägt sich schon in ihrer Bezahlung nieder. Zehn Tausender pro Monat sind wenig, nach oben sind die Grenzen offen. Spitzenverdiener freuen sich über 20 Millionen Mark im Jahr.

In der City of London und der New Yorker Wallstreet jagen sich die Konkurrenten die besten Fusionsberater und Analysten gegenseitig ab. Ein Spezialistenteam hat Dresdner Kleinwort Benson bereits eingebüßt – und daraufhin allen anderen saftige Gehaltszuschläge versprochen, falls sie bleiben. Solche Leute brauchen keine Gewerkschaft – sie werden bei Laune gehalten. Im Vorstand der Dresdner Bank, wie auch der Konkurrenz, verfügen sie über mächtige Fürsprecher. Ihre Gewinne machen sie unentbehrlich.

Demzufolge stand Dresdner-Bank-Chef Walter im eigenen Hause unter starkem Druck, als die Absicht der Deutschen Bank bekannt wurde, Kleinwort Benson mehr oder weniger abzustoßen. Walter, der ohnehin nicht als konsequente Führungsperson gilt, war gezwungen, sich vor seine Investmentbanker zu stellen. Ohne den Erhalt von Kleinwort Benson und den damit verbundenen wirtschaftlichen Einfluss in dem neuen Institut, so befürchteten nicht wenige, würde die Dresdner in der Deutschen Bank bald nicht mehr erkennbar sein.

In der alten englischen Privatbank Kleinwort Benson, die von der Dresdner 1995 gekauft wurde, herrschen noch immer Korpsgeist und Zusammengehörigkeitsgefühl. Deshalb entstand Proteststimmung, als die Deutsche Bank ihre Absicht erkennen ließ, nur einzelne Teile zu behalten. Die Abteilungen für Fusionen und Neuemissionen von jungen Betrieben waren der größten deutschen Bank gut genug – an den Resten von Kleinwort hatte man kein gesteigertes Interesse.

Offenbar brachte gerade die Aussicht, in alle Winde zerstreut zu werden, die Londoner Banker in Rage. Wenn schon Trennung von der Dresdner Bank, so hieß es, dann als Ganzes. Doch das wollte die Deutsche Bank nicht – also musste die Fusion platzen.

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