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vorlauf PRÄZISE ZUFÄLLE

„Tatort: Chaos“

(So, 20.15 Uhr, ARD)

Mathematikprofessor Kannell (Markus Hering) hat für alles eine Formel – nur für sein eigenes Leben nicht. In den Dingen, die um das verwuselte Genie herum passieren, ist einfach kein System auszumachen. Sukzessive sterben die Menschen aus seinem nächsten Umfeld. Dass hinter den fatalen Verstrickungen nur eine verknallte Sprechstundenhilfe steckt – wer kann das ahnen. Jana Lehman (Katja Studt) ist hinter dem Prof her, und wenn der deprimierte Alleswisser der Therapeutin hinter verschlossenen Türen sein Herz ausschüttet, hört sie per Wanze mit. Und worunter leidet Kannell? Darunter, dass immer alles glatt läuft in seinem Leben und doch nichts passiert – beziehungsweise passierte.

Denn Sprechstundenhilfe Jana, die sich durch Zahlen leicht erregen lässt, hat am gleichen Tag Geburtstag wie der Mathematiker – und glaubt, dass demonstriere doch ausreichend ihre Zusammengehörigkeit Mögliche Konkurrentinnen räumt Jana dann aus dem Weg, indem sie den von Kannell so verhassten Zufall zur Hilfe nimmt.

Hier wird ein Mord an den nächsten gereiht, und oft passieren sie in diesem angenehm unaufgeregten „Tatort“ nur aus einem Missverständnis heraus. „Chaos“, so der schöne, schlichte Titel, nimmt sich aus wie eine außer Kontrolle geratene Versuchsanordnung. Doch der Blick auf das tödliche Tohuwabohu bleibt lakonisch. Auch die beiden Hauptdarsteller agieren mit zurückhaltender Akkuratesse: Markus Hering spielt den genialischen Womanizer so ungekämmt und verschlafen, dass man nie weiß, ob er die Nacht zuvor wirklich nur alleine mit seinen Rechnungen verbracht hat. Und Katja Studt („Die tödliche Maria“) gibt die freakige Formelfetischistin als öde Arzthelferin. Ein Nichts aus dem Vorzimmer – das doch alle Fäden in der Hand hält. Psychologische Tiefenschärfe ist nicht von Belang, wichtiger ist die Präzision, mit der sie in Aktion tritt. Diese Henkerin des Zufalls.

CHRISTIAN BUSS

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