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Käse mit Löchern

■ Eine echte Uraufführung hatte das Schnürschuhtheater mit dem Bürodrama „Der Lochi-macher“ zu bieten. Aber manchmal sinniert man lieber über Bierschaumkronen oder das „Echte“

Im Stück von Autor Matthias Nöllke geht es darum, dass zwei Büroangestellte sich um einen Locher balgen. Roeder, ein Sadist, hat ihn und will ihn nicht ausleihen, bis Bertelsmann, der Locherlose, auf das Äußerste gereizt, Roeder erschießt. Nette Idee, könnte man sagen, aber der Text ist schwach. Er ist zu gewollt konstruiert, er schaukelt sich um des Aufschaukelns Willen hoch. Er holpert, er stolpert, er knirscht, er setzt sich über Logik hinweg, um den Fortgang des Geschehens über einige Tage zu ermöglichen. Da hat jemand einen mehr oder minder witzigen Einfall gehabt und diesen gnadenlos zu Tode geritten.

Die Aufregung um das Objekt der Begierde, den Locher, ist eine Pseudo-Aufregung. Es ist schlicht unmöglich, innerhalb von zwei Tagen keinen Locher aufzutreiben. Damit ist die Grundthese des Stü-ckes hinfällig. Auch eine universellere Lesart, die von oberflächlicher Logik abstrahieren ließe, bietet sich nicht an. Kafkaeske Verzweiflung, Bertelsmann als Opfer einer Verschwörung mit Roeder als ausführendem Organ? Eine Parabel auf den alltäglichen Sadomasochismus? Psychoanalytisch: Will Roeder erschossen werden? Ein Stück über die „Banalität des Bösen“ (Hannah Arendt)? Gewollte Absurdität a la Beckett? Alles drei Nummern zu groß für diesen Text. Die Charaktere sind schlicht platt und tot, Roeder ist ein fieser Sadist, Bertelsmann ein schlapper Speichellecker. Dem Autor fehlt der liebevolle Blick auf seine Personen, er stellt sie auf die Bühne und überschüttet sie mit Spott.

Mir ist der Text schlicht nicht „echt“ genug. Zur Erläuterung des Begriffes ein Beispiel aus dem Alltag: Bestimmt haben Sie schon die Haake-Beck-Werbung an den Bushaltestellen gesehen. Junge Menschen mit Bierschaum auf der Oberlippe. In der Hand halten sie ein Glas Bier, gekrönt mit der schönsten, unversehrtesten Schaumkrone, die man sich denken kann. Das geht nicht! Diese Werbung ist nicht „echt“. Sicherlich, ein kleines Detail. Natürlich, es gibt auch Werbung, die weitaus „unechter“ ist, sämtliche TV-Werbespots für Jacobs Krönung zum Beispiel. Aber dennoch verkauft die Haake-Beck-Werbung den Konsumenten für dumm. Vielleicht nicht aus böser Absicht, aber gewiss aus Nachlässigkeit. Und ebenso nachlässig und unbedacht wurde „Der Lochimacher“ geschrieben, mit dem Erfolg, dass der Text eindimensional, papierern, langweilig ist.

Nun, was soll man aus solch einer Vorlage noch machen? Nicht viel, mögen sich Regisseur Uwe Seidel und die beiden Darsteller Reinhard Lippelt und Satya Hamed gedacht haben. Die Darbietung von Lippelt und Hamed krankt schlicht an deren mangelnden schauspielerischen Fähigkeiten, an fehlender Überzeugungskraft, an einer zu geringen Bandbreite darstellerischer Möglichkeiten. Lediglich Lippelt gelingt es hin und wieder, seinem Bertelsmann etwas Lebendigkeit zu verleihen – was fast ein Paradox ist, bedenkt man, dass die Figuren schon von Haus aus Totgeburten sind. Aber selbst hochkarätige Schauspieler könnten den Text nicht besser machen als er ist.

Falls Autor Nöllke so etwas wie unterschwellige, echte Verzweiflung durchscheinen lassen wollte, misslingt es den Darstellern jedenfalls gründlich, diese glaubhaft zu machen.Wenn „Der Lochimacher“ mehr als Boulevardtheater sein will, scheitert es kläglich, wenn es lediglich Boulevardtheater sein will, ist es trotzdem schlecht gemacht. Tim Ingold

Sa. 15.4. und So. 30.4., 20 Uhr.

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