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Im Land der guten Laune

Kindchenschema als Programmschema: Super RTL hat es innerhalb der letzten fünf Jahre als „Familienspartensender“ knapp zum Marktführer gebracht – und feiert heute Kindergeburtstag

von ARNO FRANK

Hinter dem Regenbogen, jenseits von gut und böse, dort liegt das Land der guten Laune. Bevölkert von putzigen Eichhörnchen, ängstlichen Zwergdrachen und fröhlichen Mutanten wie „Dr. Quinn – Ärztin aus Leidenschaft“. Regiert wird es vom Herrn der Harmlosigkeit. Und als er sah, dass es gut war, schickte er eine Pressemitteilung raus: „Fünf Jahre alt und schon ganz schön erwachsen“, tätschelte Claude Schmit seinen Sender. Tatsächlich hat der Geschäftsführer von Super RTL allen Grund, mit dem Li-La-Launebär einen zu heben, denn: „Wir sind der Lieblingssender der Kinder!“

Das allerdings nur knapp: In der relevanten Sendezeit von 6 bis 19 Uhr gucken 19 Prozent der 3- bis 13-Jährigen Super RTL – gerade mal 1 Prozentpunkt Marktanteil mehr als beim direkten Konkurrenten, dem öffentlich-rechtlichen Kinderkanal. Bei den 3- bis 5-Jährigen liegt der Kinderkanal sogar deutlich vor Super RTL – dank der „Teletubbies“, die „Disneys Gummibärenbande“ erfolgreich den umkämpften „Danach-geht’s ins Bett“-Sendeplatz um 18.30 Uhr streitig machen.

Heute vor fünf Jahren ging Super RTL erstmals auf Sendung, im Februar 1998 errang der Kanal die Marktführerschaft – und hat sie bis heute nicht mehr abgegeben.

Der Sender garantiert seinen Zuschauern das Happy End

Wundern darf der rasche Aufstieg nicht, kann sich Super RTL doch im Wettbewerb auf enge Familienbande verlassen. So bedient RTL von der Wiege bis zur Bahre das ganz große Publikum, bei RTL 2 („Big Brother“) vollzieht sich gegenwärtig die Proletarisierung des Mediums – und der „Super“-Nachwuchssender sorgt dafür, dass die Jüngsten die Marke RTL sprichwörtlich mit der Muttermilch einsaugen: Programmschema und Kindchenschema sind deckungsgleich. Daher mag es Super RTL-Sprecher Andreas Seitz mit konkurrierenden „Renommierprodukten wie ‚Löwenzahn‘, der ‚Sesamstraße‘ oder ‚Käpt’n Blaubär‘ “ gar nicht erst aufnehmen. Stattdessen steuert die Walt Disney Company den Löwenanteil der Sendungen bei – der Unterhaltungskonzern teilt sich mit CLT-UFA 50 Prozent des Kölner Senders.

Die geschäftstüchtigen Amerikaner nutzen Super RTL denn auch als Verwertungsmaschine für Wiedergekäutes aller Art – „Arielle die Meerjungfrau“, „Aladdin“, und „Sindbad“ tauchen hier wieder auf, freilich nachlässiger gezeichnet und auf Serienlänge gestreckt. Sogar Kinofilme wie „Liebling, ich habe die Kinder geschrumpft“ werden hier aufs kommerzielle Fließband gehievt (Folge 1: „Liebling, Opa hat uns verschluckt“).

Zulieferungsverträge mit Buena Vista International und Nickelodeon sollen die nötige Farbe nach Toon-Town bringen, Magazine wie „Super, Metty!“ – eine Light-Version der „Sesamstraße“ – den Charme des Selbstgemachten versprühen. Als ideelles Fernziel wünscht sich der Geschäftsführer, sein Sender möge zum „home of animation“ werden.

Bei der zuständigen Landesmedienanstalt von NRW gilt Super RTL noch nicht als „Heim der Zeichentrickfilme“, sondern als „unterhaltungsorientiertes Familienspartenprogramm“ – Fernsehen also für Kinder und solche, die es bleiben wollen.

Letztere bedient Super RTL „als einziger Sender in Deutschland“ auch auf der so genannten „Abendschiene“ ab 20.15 Uhr. „Der Schwerpunkt der Kinderfernsehnutzung liegt ohnehin zwischen 17.30 und 20.30 Uhr“, sagt Andreas Seitz.

Sind die Kinder im Bett, gibt es Kindisches für die Eltern

Wenn also die Konkurrenten vom Kinderkanal längst abgeschaltet haben, dreht Super RTL erst richtig auf: Spielfilme wie „Die Muschelsucher“ von Rosamunde Pilcher, die zweifelhafte „Mini-Playback-Show“ mit Marijke Amado oder Peter Steiners volkstaumelnder „Theaterstadl“ bieten den gestressten Eltern Gehirnwäsche im Weichspülgang. Logisch, dass sich die tagsüber exerzierten Etappensiege des Guten gegen das Böse auch spätabends fortsetzen – „mit garantiertem Happy End“ (Super RTL-Eigenwerbung) und frei nach Walt Disneys Motto: Wer an die Kohle der Eltern will, muss ihnen die ewige Mär von der Familie erzählen, ohne die Kinder zu verschrecken.

Wen also verstaubte B-Movies oder debile Schlagersendungen noch nicht weich gekocht haben, wird mit andernorts ausgedienten Soap-Operas belohnt. Nichts Schlüpfriges stört das Bad in der Seifenlauge von „Beverly Hills 90210“ bis „Melrose Place“.

Nach Mitternacht aber spuken doch noch echte Zombies durch das Verlies der Vergnüglichkeit. Es sind die untoten US-Seriendarsteller, die mit gruselig leeren Gesten in Dauerwerbesendungen Küchen- und Fitnessgeräte anpreisen müssen: Fernsehen für wahrhaft verlorene Seelen. Ohne Happy End.

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