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Geiseln psychisch am Ende

Auf den Philippinen werden erste Bilder von den entführten Touristen und Einheimischen veröffentlicht. Sie werden offenbar „korrekt“ behandelt, leiden jedoch unter den Bedingungen. Forderungen der Entführer weiter unklar

aus Bangkok JUTTA LIETSCH

Der Videofilm einer philippinischen Journalistin brachte gestern erstmals Bilder von den 21 entführten Geiseln, die seit über einer Woche in der Hand philippinischer Entführer sind: Erschöpft und geschwächt nach den Strapazen der letzten Tage saß da die Gruppe, darunter die deutsche Lehrerfamilie Wallert aus Göttingen, dicht gedrängt auf dem Fußboden einer winzigen Bambushütte.

„Die Bedingungen hier sind schlecht und werden jeden Tag schlimmer“, sagte der 57jährige Werner Wallert. Sie bräuchten Wasser, Lebensmittel, Medikamente und Kleidung, sagten andere Geiseln. Einige von ihnen hatten nur einen Badeanzug getragen, als sie am vorletzten Sonntagabend von der malaysischen Insel Sipadan auf die südlichen Philippinen verschleppt wurden. Inzwischen litten mehrere an Durchfall. Die Angst war ihnen anzusehen, einige weinten. Eine Südafrikanerin soll einen Schwächeanfall erlitten haben.

Eine Sorge konnte offenbar zerstreut werden: Die 21 Geiseln werden nicht misshandelt. „Wir werden nicht geschlagen“, betonte der Südafrikaner Carl Strydon. Dies bestätigte auch Werner Wallert: Die Behandlung durch die Geiselnehmer sei „korrekt“.

Die Entführer, die nach bisherigen Informationen mit der muslimischen „Abu Sayyaf“-Guerilla zusammenarbeiten, hatten nur der philippinischen Journalistin Arlyn de la Cruz erlaubt, die Gefangenen auf der Insel Jolo zu besuchen. Die Reporterin mit guten Beziehungen zu „Abu Sayyaf“ war schon in früheren Entführungsfällen eingeschaltet worden. Eine philippinische Ärztin war gestern ebenfalls auf dem Weg zu den Geiseln. Deutsche, finnische und französische Diplomaten hatten eine Hilfslieferung zusammengestellt: Wasser, Lebensmittel Medikamente und Kleider für 25 Menschen.

Bislang ist immer noch unklar, welche Forderungen die Geiselnehmer stellen. Möglicherweise auf Anweisung forderte Wallert vor der Kamera „die UNO und die Organisation Islamischer Staaten“ auf, sich in die Verhandlungen für die Freilassung einzuschalten.

Nach Angaben des philippinischen Unterhändlers Jamasali Abdurahman hätten die Kidnapper inzwischen eine Liste mit

ihren Bedingungen vorgelegt, die der Verhandlungsführer Nur Misuari jedoch als unbrauchbar zurückgewiesen habe. Dazu gehörten unter anderem mehr Autonomierechte für die muslimische Minderheit auf den südlichen Philippinen.

Ob auch über ein Lösegeld verhandelt wird, ist nicht bekannt. Der philippinische Präsident Estrada hat den Freikauf der Geiseln strikt ausgeschlossen. Dennoch machen sich die Kidnapper möglicherweise Hoffnung auf einen Geldregen: In dieser verarmten Region ist Geiselnahme in den letzten Jahren zu einem einträglichen Geschäft geworden. Das könnte für die Entführer zugleich ein Anreiz sein, ihre Gefangenen gut zu behandeln, um sich das Geschäft nicht selbst zu verderben.

Für eine andere Gruppe von 27 Geiseln auf den Philippinen, die sich bereits seit sechs Wochen in der Gewalt von „Abu Sayyaf“ befindet, ist die Lage derzeit noch schlimmer: Nachdem Regierungstruppen den vermuteten Aufenthaltsort der 21 Schulkinder und ihrer sechs Begleiter gestern nach tagelangem Beschuss freigekämpft hatten, fanden sie die Hütten verlassen vor. Jetzt glauben sie, dass die Geiseln irgendwo in einem alten Bunker festgehalten werden, der unter den Hügeln der Insel Basilan liegt. Die Entführer fordern die Freilassung muslimischer Terroristen aus Gefängnissen in den USA und auf den Philippinen.

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