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Kubas grüne Gentechnologie

In der Landwirtschaft fährt Kuba zweigleisig. Mit organischem Landbau und Gentech-Pflanzen soll die Agrarproduktion angekurbelt werden. In den Gentech-Laboren werden schnell wachsende Fische und süßeres Zuckerrohr kreiert

von VOLKER LEHMANN

Während die kubanische Nichtregierungsorganisation „Grupo de Agricultura Organica“ 1999 für ihre Verdienste um die organische Landwirtschaft mit dem Alternativen Nobelpreis bedacht wurde, fährt man in der kubanischen Agrarplanung zweigleisig. Organischer Landbau und Hochtechnologie, vor allem Gentechnologie, werden als sich ergänzende Strategien gesehen.

Als 1990 der sowjetische Wirtschaftsblock zusammenbrach, stand Kuba vor der heiklen Aufgabe, nicht nur die Abhängigkeit vom Zuckerrohrexport zu durchbrechen, sondern auch seine Landwirtschaft binnen kürzester Zeit radikal umzustellen. Hauptziel dabei war es, einerseits die Nahrungsmittelselbstversorgung zu verbessern und andererseits die Importe von Kunstdüngern und Pestiziden zu teuren Weltmarktpreisen zu vermeiden.

Kubas Not, mit weniger synthetischen Einträgen auszukommen, wurde seitdem als Tugend beschaut und gilt als Beweis, dass die Konversion einer industrialisierten Landwirtschaft in Richtung ökologisch nachhaltigerer Anbaumethoden auch auf großem Niveau möglich ist. Dazu gehörten der Ersatz von Traktoren durch Ochsen, wechselnde Fruchtfolge, aber auch die Entwicklung einer Reihe biotechnologischer Produkte: Organische Dünger, die auf Stickstoff bindenden Bakterien beruhen, kommen dabei ebenso zum Einsatz wie Regenwurm-Farmen zur Verbesserung der Böden und des Komposts. Außerdem werden diverse biologische Schädlingsbekämpfungsmethoden angewandt.

Doch hierbei wollen es die kubanischen Forscher und Politiker nicht belassen, denn es gilt, Kuba in einen Standort wissensintensiver Hochtechnologien umzuwandeln. Biotechnologie kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Selbst zwischen 1990 und 1996, den schwierigsten Jahren, wurden 50 Millionen US-Dollar in Biotechnologie investiert; 1998 waren es sogar 60 Millionen. Von diesem Geld, auch wenn es zum Großteil in den medizinischen Bereich floss, profitieren auch die kubanischen Agrarforscher. Laut Carlos Borroto, dem Leiter des kubanischen Agrarbiotechnologie-Forschungprogramms, ist Kuba eines der wenigen Entwicklungsländer, welches in diesem Bereich eine eigenständige Infrastruktur etablieren konnte. „Bio- und Gentechnologie werden häufig kritisiert, weil sie dem Profitstreben transnationaler Unternehmungen in die Hände spielen. Wir verwenden diese Techniken jedoch, um unsere eigenen Probleme zu lösen“, verkündet er nicht ohne Stolz. Im Mittelpunkt stünden deshalb für Kuba wichtige Gewächse wie Bananen, Kartoffeln, Reis, Zitrusfrüchte und Zuckerrohr.

Ein typisches Beispiel liefern die 15 Biofábricas, errichtet, um unabhängiger von Saatgutimporten zu werden. Hier werden mit Hilfe von Mikropropagation, einer Technik zur Vermehrung von Pflanzen aus einzelnen Gewebeteilen, jährlich bis zu 60 Millionen Pflanzensetzlinge in vitro produziert. Auch die Suche nach neuen biologischen Schädlingsbekämpfungsmethoden geht weiter. Ein aus einheimischen Plantagenböden isoliertes Bakterium, Sphingobacterium spiritivorum, wird mittlerweile gegen Wurmbefall in Bananenplantagen eingesetzt. Für dieses Präparat ist auch in Europa ein Patent angemeldet. „Für uns sind Patente ethisch gesehen weiterhin unvertretbar. Aber wir brauchen sie als Verhandlungsbasis, um an andere, auch patentierte Technologien zu gelangen.“ Laut Borroto wird Kuba deshalb seine Erfindungen gratis an Forscher in Entwicklungsländern abgeben, während man von Verhandlungspartnern aus reichen Ländern entweder Lizenzgebühren oder im Tausch Zugang zu deren Patenten erwarte.

Nun soll auch die gentechnologische Revolution mithelfen, die Errungenschaften der sozialistischen Revolution zu verteidigen. Von Zuckerrohr und Tomaten über Kaffee, Ananas, Mais und Papaya wird mittlerweile beinahe alles, was auf Kubas Äckern gedeiht, gentechnisch modifiziert. Diese Veränderungen sollen nicht nur Virus- oder Pilzerkrankungen verhindern, sondern geforscht wird auch an der Resistenz gegen Herbizide, wie das von dem deutsch-französischen Life-Science-Konzern Aventis produzierte Basta. Welchen Sinn machen Pflanzen, die gegen ein Herbizid resistent sind, für welches das Land kein Geld hat? Für Soledad Diaz, Präsidentin der Agentur für Wissenschaft und Technologie, stellt sich die Frage anders: „Es geht uns vor allem um den Anschluss an die internationale wissenschaftliche Entwicklung, und erst in zweiter Hinsicht um die Anwendung.“

Der Schulterschluss mit der Technologiegläubigkeit der internationalen Gentech-Community offenbart sich auch bei der Forschung mit dem Bakterium Bacillus thuringiensis (Bt), welches seit langem mit guten Resultaten im organischen Landbau eingesetzt wird. Kubanische Wissenschaftler haben die einheimische Bt-Variante charakterisiert und konstruierten nun Pflanzen, in die das Bakterien-Gen für ein Insekten schädigendes Protein eingebaut ist. Allerdings hat bisher noch keine der gentechnisch manipulierten Pflanzen die Felder der kubanischen Bauern erreicht. Kuba ist eines der wenigen Entwicklungsländer, in welchen die biologischen Sicherheit durch Gesetze geregelt ist, und so wird es noch mindestens zwei Jahre dauern, bis alle Labor- und Feldversuche durchlaufen sind. Auch wenn kubanische Wissenschaftler die europäische Ablehnung von Gentechnologie in der Landwirtschaft für völlig unverständlich halten, sind sich die Entscheidungsträger dennoch der Auswirkungungen bewusst: So wurde mit Blick auf den Export von Zigarren darauf verzichtet, Tabak weiterhin als Forschungsobjekt zu gebrauchen. Ebenso will man mit der Kommerzialisierung von genmanipuliertem Zuckerrohr erst beginnen, wenn deutlich ist, dass Exporte für den Weltmarkt nicht unter einer sich weiterhin gegen Gentech-Pflanzen kehrenden Stimmung zu leiden hätten.

Das erste für den menschlichen Konsum bestimmte Produkt aus kubanischen Labors wird voraussichtlich keine Pflanze, sondern ein schnell wachsender Fisch sein. Eine durch ein Genkonstrukt für schnelleres Wachstum ausgestattete Tilapia-Art soll noch in diesem Jahr auf den Tisch der einheimischen Konsumenten gelangen.

Der Autor ist Editor der Zeitschrift „Biotechnology and Development Monitor“. Die englischsprachige Zeitschrift wird in elektronischer und gedruckter Form an der Universität von Amsterdam herausgegeben. http://www.pscw.uva.nl/monitor

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