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Arfmann an den Reglern macht den Shit tight

■ Der ehemals kastrierte Philosoph bringt am Sonntag den Jazz als Dub zum swingen

Wie der Mann das macht, ist uns ein Rätsel. Stets sieht er verdächtig braungebrannt aus. Vielleicht hat er ja eine UV-Lampe in seinem Studio in Neuenfelde stehen, das er nach menschlichem Ermessen eigentlich nur zum Brötchen holen verlassen dürfte, stellt man seinen Output als Produzent in Rechnung. Aber vielleicht rührt diese Aura des Sunnyboy auch nur von seinen präferierten Khaki-Kombinationen her. Wer kann das schon die definitiv beantworten?

Matthias Arfmann war einst die eine Hälfte der Indie-Legende Kas-trierte Philosophen, deren Sound er zunehmend von Velvet Underground-inspirierten Frühwerken in immer freiere Regionen führte. Da Matthias Arfmann wie sonst kaum jemand in Deutschland einen ganz bestimmten, seltenen Typus des „Musiker-Musik“-Musikers abgibt, konnte das, wie für jeden, der sich ernsthaft für Musik interessiert, wohl auch nur eins heißen: Jazz. Und, da es natürlich auch ein Jazz des Studios gibt: Dub. Als Produzent leitete Arfmann das legendäre Knochenhaus-Studio in Altona – bis er es sich lieber im Grünen gemütlich machte.

Heute steht er maßgeblich für den musikalischen Reifungsprozess, den die Hamburger HipHop-Szene durchläuft: den Absoluten Beginnern, Jan Delay oder dem Roots-Folk-Wunderkind Patrice hat Arfmann einen unverwechselbaren, feinziselierten Sound auf den Leib geschrieben, der so viel Wumms in den Low-Ends wie Sinn für eingängige Hooks mitbringt.

Zwischendurch hat er im letzten Jahr auch noch Zeit gefunden, fast unbemerkt eine Solo-Platte aufzunehmen: M. Arfmann Presents Turtle Bay Country Club. Auf der schart er eine Reihe von mehrere Generationen umfasssenden Mitstreitern um sich, die schon fast zum festen Inventar aller Turtle Bay-Produktionen gehören: Unter ihnen Lothar Meid, Bassist der Krautrock-Urgesteine Amon Düül II oder die Jazz-Koryphäe Bernd von Ostrowski am Vibrafon. Ergänzt um Thorsten Otto, Live-Drummer bei den Beginnern, und den Caligari-Sänger Marek Meyer präsentiert sich Arfmann nun auf der Bühne. Erwarten kann man halbimprovisierte Jams zwischen digital und analog, zwischen Jazz, Dub, Außereuropäischem und allerlei Breakbeatigem – solange es nur ausreichend vertrackt und ungerade groovt.

Wenn man Glück hat, gibt es einen Abend voller „magischer Momente“, wie Arfmann dem Kollegen René Martens seine Technik des Sich-Selbst-Samplen einmal in einem Interview erklärte. Natürlich passt das ins Mojo, weil der Turtle Bay Country Club nicht nur gelegentlich wie das Innerzone Orches-tra swingt, sondern manchmal eben auch wie eine alte MPS-Platte mit Sitar-Jazz aus Villingen Schwennigen klingt. Das wäre dann die Achse Elbe – Schwarzwald, sozusagen. Tobias Nagl

So, 14.5., 21 Uhr, Mojo

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