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Kein Grund zur Freude

■ Ein Jahr ohne Regenbogen: GAL-Parteichefin Kordula Leites und Fraktionschefin Antje Möller im taz-Interview über linke Einsamkeit und Realo-Mainstream, Projekt und Perspektiven, Koalition und Opposition

taz: Vor einem Jahr hat sich der Regenbogen von den Grünen abgespalten. Fühlen sich die beiden letzten Linken in der GAL inzwischen einsam?

Kordula Leites: Keineswegs. Es gibt schon noch ein paar mehr...

Ein paar oder ein Paar?

Leites: Es sind etliche Linke vor allem unter den aktiven Mitgliedern in den Arbeitsgemeinschaften, in allen Bezirken, und in der Fraktion ebenso wie im Parteivorstand. Die Behauptung, die GAL habe ihre gesamte Linke verloren, stimmte vor einem Jahr nicht, und sie stimmt auch heute nicht. Es sind allerdings weniger geworden, das ist richtig.

Antje Möller: Von Einsamkeit kann keine Rede sein, aber natürlich ist dieser Jahrestag für mich kein Grund zur Freude. Die fünf Abgeordneten, die zum Regenbogen gingen, haben eine Menge Kompetenz und Sachverstand mitgenommen. Wir haben jetzt eine zweite Opposition in der Bürgerschaft, und das macht es nicht einfacher.

Obwohl es ja offensichtlich weiterhin viele gemeinsame Positionen mit dem Regenbogen gibt, wie zum Beispiel vorige Woche in der Debatte um die Rote Flora deutlich wurde.

Möller: Bei einzelnen Themen, ja. Umso besser, dass dies bei einem so wichtigen Thema wie diesem der Fall ist. Aber im Grundsatz ist die Arbeit für Rot-Grün nicht leichter geworden.

Ist sie denn besser geworden ohne die Nörgler in der eigenen Fraktion?

Möller: Sie ist weiterhin gut. Wir hatten vorher ein ausgewogenes Verhältnis in der Fraktion von etwa zehn Linken und elf Realos. Das ist nicht mehr da, und das macht es intern nicht leichter oder schwerer, sondern anders.

Denn die fünf, die uns verlassen haben, sind ja nicht gegangen wegen heftigen Streits in dieser Fraktion, sondern wegen eines grundsätzlichen Konflikts in der grünen Partei insgesamt.

Leites: Es gibt keine Analyse in der GAL darüber, ob durch die Abspaltung des Regenbogens die Senatspolitik oder die Parteipolitik besser oder schlechter geworden ist. Auch nicht darüber, ob man sich freut oder es bedauert, dass die weg sind. Einzelne sprechen das mal aus, aber in der GAL wird über diese Thema nicht debattiert. Die Bewertung dieses Jahres steht noch aus.

Möller: Ich glaube nicht, dass sie stattfinden wird. Der Mainstream in der GAL ist zufrieden, so wie es ist.

Täuscht der Eindruck, dass es eine ausgeprägte Bereitschaft des Realo-Flügels zum Durchmarsch gibt?

Möller: Dieser Eindruck ist sicher richtig, was die Partei angeht. In der Bürgerschaftsfraktion und auch in den Bezirksfraktionen stellt sich das anders da. Das hängt sicher auch mit der Notwendigkeit zur alltäglichen pragmatischen Zusammenarbeit zusammen. Man kann und muss ja nicht jede interne Debatte um einen Antrag zu einer Grundsatzfrage machen.

Leites: Es gibt da einen bedauerlichen Prozess, der am Jahresanfang in der Strukturdebatte zum Streitpunkt führte, nachdem diese Diskussion monatelang sehr ruhig und sachlich geführt worden ist. Da ist eine Polarisierung entstanden und wohl auch gewollt worden.

Die vor allem Sie beide geschwächt hat. Sie beide wollen die Doppelspitze in der Parteiführung und die Trennung von Parteiamt und Parlamentsmandat beibehalten. Auf der Landesmitgliederversammlung Anfang April hatten Sie aber Zwei-Drittel-Mehrheiten gegen sich.

Möller: Das war eine Bestätigung dafür, dass die Linke in der GAL schwächer geworden ist. Das trifft auch auf einzelne Personen zu wie Kordula oder mich, da kann man nicht drumrumreden. Aber die wichtige Frage ist doch, welche Folgerungen daraus zu ziehen sind. Es gab immer schon die Tendenz bei den Grünen, den einen oder den anderen Flügel zu stärken oder zu schwächen.

Und welche Folgerungen ziehen Sie daraus?

Möller: Es gibt ja nur zwei Möglichkeiten: Entweder gehe ich auch raus oder ich habe weiter den Anspruch, auch aus der Minderheitenposition die Politik der Grünen in Hamburg so mitzugestalten, dass sie meinen Ansprüchen wieder entspricht. Das zu tun, halte ich immer noch für richtig im Moment.

Im Moment?

Möller: Ja. Langfristige Perspektiven sollte man in der Politik ja besser nicht abgeben.

Also nur für diese Legislaturperiode?

Möller: Naja, vielleicht auch noch länger.

Leites: Ich habe diese Frage für mich vor einem Jahr beantwortet, ich hätte ja auch mit zum Regen-bogen gehen können. Aber ich denke, die GAL ist ein immer noch tragfähiges Projekt mit vielen guten Zielen. Es gibt zur Zeit keinen besseren Weg, diese Ziele zu erreichen.

Zur Zeit?

Leites: Wie sich das entwickelt, kann ich auch nicht vorhersehen. Es gibt viele Prozesse in der GAL, das muss man abwarten.

Haben Sie nicht manchmal Bauchschmerzen, wenn Sie vom Regenbogen zum Beispiel in der Bürgerschaft vorgeführt werden? Die nehmen häufig politische Positionen ein, die auch Ihre sein dürften, die Sie aber aus Rücksicht auf die eigenen Realos oder auf den Koalitionspartner SPD nicht offen vertreten.

Möller: Nein, so sehe ich das nicht. Bauchschmerzen habe ich eher, wenn wir in einzelnen politischen Fragen gegen den Koalitionspartner nicht alles erreichen, was wir uns wünschen. Es ist ja zum Beispiel in der Flüchtlings- und Migrationspolitik nicht so, dass wir uns von unseren Vorstellungen verabschiedet hätten. In Einzelfällen sind wir uns mit dem Regenbogen völlig einig.

Wir haben uns aber entschlossen, auf dem gemeinsamen politischen Weg mit der SPD in diesen vier Jahren möglichst viel auch um- und durchzusetzen. Der Regenbogen macht da bisweilen eine kluge Oppositionspolitik, die aber nicht unbedingt auf politische Resultate zielt.

Ist der Regenbogen, was er sein will: der linke Stachel gegen Rot-Grün?

Möller: Was die bisweilen kundtun, ermöglicht auch uns, die SPD darauf hinzuweisen, welche Positionen es in der politischen Linken in dieser Stadt zu berücksichtigen gibt.

Leites: Aber es ist natürlich möglich, weitreichende Forderungen aufzustellen, wenn man nicht selbst daran gemessen wird, ob sie auch erfüllt werden. Das ist die Aufgabe der Opposition. Aber zum Beispiel der Vorwurf, die GAL hätte die Situation in der Flüchtlingspolitik eher noch verschlimmert, ist schlicht falsch.

Möller: Man muss da auch in längeren Zeiträumen denken. Wir haben es mit einem Partner zu tun, der seit 45 Jahren pure SPD-Politik zu machen gewohnt ist, selbst wenn er eine Koalition eingehen musste. Diese Verkrustung bricht man nicht mal so eben in ein, zwei Jahren auf. Nach meiner Ansicht muss man eher in zwei Legislaturperioden denken und die eigene Politik da-rauf anlegen.

Die erste ist in eineinhalb Jahren bereits zu Ende. Worauf hoffen Sie bei der Bürgerschaftswahl im Herbst 2001?

Möller: Dass wir eine stabile Stammwählerschaft im zweistelligen Bereich haben und Rot-Grün insgesamt bestätigt wird.

Leites: So sehe ich das auch.

Möller: Und dass diese absurden Exoten wie Hunke und Schill keinen Erfolg haben.

Und was wünschen Sie dem Regenbogen?

Leites: Viel Glück, aber möglichst wenige Stimmen aus unserem WählerInnenpotential.

Interview: Sven-Michael Veit

Fotos: Jule Fritzsche

Zitate:„Ich habe weiter den Anspruch, aus der Minderheitenposition die Politik der GAL so mitzugestalten, dass sie meinen Ansprüchen wieder entspricht. Das zu tun, halte ich immer noch für richtig im Moment“: Antje Möller

„Es gibt da einen bedauerlichen Prozess, der am Jahresanfang in der Strukturdebatte zum Streitpunkt führte. Da ist eine Polarisierung entstanden und wohl auch gewollt worden“: Kordula Leites

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