: Grünes Band der Ökologie
Der WWF hat sechs Jahre lang die grüne Grenze zwischen Polen und der Bundesrepublik dokumentiert. Das Ergebnis: „eine der ökologisch wertvollsten Landschaften Mitteleuropas“
von CHRISTOPH RASCH
Das „Grüne Band“ ziert seit kurzem die Aktendeckel deutscher und polnischer Umweltbehörden. Gemeint ist die Staatsgrenze zwischen Deutschland, Polen und Tschechien entlang der Flüsse Oder und Neiße. „Zu beiden Seiten der Grenze erstreckt sich eine der ökologisch wertvollsten Landschaften Mitteleuropas“, schwärmt der World Wide Fund for Nature (WWF) – wissenschaftliches Ergebnis einer über sechs Jahre dauernden Erfassung und Dokumentation des Gebiets.
Der 30 bis 50 Kilometer breite Grenzstreifen, den der WWF in dieser Zeit unter die Lupe nahm, zieht sich über 270 Kilometer – von Bad Freienwalde über Frankfurt und Guben bis in die Sächsische Oberlausitz. Ein multinationales Biotop. 80.000 Hektar sind hier bereits als Naturschutzgebiete ausgewiesen, weitere 50.000 Hektar könnten folgen. In dieser von industrieller Großansiedlung weitgehend verschonten Region mit ihrer ungewöhnlichen, steppenartigen Vegetation und den einmaligen Auenwäldern leben viele gefährdete Tierarten wie etwa Sumpfschildkröten, Biber, der Schreiadler oder der Schwarzstorch. Die vom WWF zusammengetragenen Daten sollen den Verwaltungen entlang der Grenze Entscheidungshilfen geben. Rund 120 Wissenschaftler begleiteten das Mammutprojekt, das 33 „Modellgemeinden“ in ein raumplanerisches Gesamtkonzept einbezieht.
Denn was im 11.000 Quadratkilometer großen Ökokorridor entlang der Grenzflüsse bis dato fehlte, war eine koordinierte deutsch-polnische Zusammenarbeit, die Maßnahmen zur Erhaltung dieses Naturraums trifft. Diese herzustellen und auf der Grundlage einer nachhaltigen Entwicklung aufrechtzuerhalten waren also die Hauptziele des ehrgeizigen WWF-Projekts. Vorbild: die bereits seit 1994 bestehende gute Zusammenarbeit polnischer und deutscher Behörden weiter nördlich. Auch an der ein Jahr später erfolgten Erklärung des Unteren Odertals zum „Internationalpark“ war der WWF beteiligt.
Daran knüpft das „Grüne Band“ an. Vor allem in den polnischen Umweltämtern fehlten bislang schlichtweg die Daten über die Naturlandschaft: „Vielfach scheiterten daran schon die einfachsten Planungen“, so der WWF-Projektleiter Ireneusz Chojnacki.
Vor wenigen Wochen, zur „Grünes Band“-Abschlusskonferenz im polnischen Grenzstädtchen Slubice, bekamen deutsche und polnische Behörden Körbe vom WWF. Die waren randvoll mit Karten und Berichten zur Situation des Projektgebietes. Das Gebiet zählt nun zu den am detailliertesten erfassten Naturregionen Mitteleuropas. „Wir konnten die ökologische Entwicklung der Region damit auf eine fundierte Grundlage stellen“, sagt Chojnacki.
Aufbauarbeit, auch von Organisation zu Organisation: Der WWF will seinen polnischen Kooperationspartner, den Lubuski Naturschutzverband (LKP), durch das Vorzeigeprojekt „als wichtigen und kompetenten Ansprechpartner etablieren“ – und ihm damit in der Region mehr Gewicht als Gesprächspartner der Behörden verleihen“.
Und weil die Hoffnung, die Behörden mögen die empfangenen Daten massenweise ein- und umsetzen, nur ein Standbein des WWF-Projekts ist, setzte man dort von Anfang an auch auf private Initiative. „Die Erhaltung von naturnahen Biotopen ist nicht nur von ökologischer Bedeutung“, sagt Ireneusz Chojnacki, „sondern bietet auch spezifische ökonomische Vorteile.“ Der sanfte Tourismus könnte die regionale Wirtschaft ankurbeln: So entstanden im Rahmen des WWF-Projekts auf einigen Bauernhöfen bereits Übernachtungsmöglichkeiten, in den Städten wurde eine Fahrradausleihe aufgebaut. Chojnacki: „In den Grenzregionen ist der Tourismus ein wichtiger Entwicklungsfaktor.“
Bestes Beispiel: die Warthemündung. 200 Kilometer Gewässer schlängeln sich kreuz und quer durch die Landschaft um Kostrzyn (Küstrin). Die gut ausgeschilderte internationale Radroute „R1“ verläuft hier. Der WWF hat noch acht weitere Velo-Wanderwege zwischen 15 und 50 Kilometern Strecke dazugestellt und diese in einem Touristenführer („Die Warthemündung. Natur und Tourismus“, ca. 60 Seiten, ISBN 83-87846-09-0) beschrieben.
Die Entdeckung des Fahrrad-Tourismus tut Not, denn insbesondere polnische Anrainer sind „verunsichert durch den Strukturwandel in der Landwirtschaft“ und an einer ökonomischen Belebung interessiert, sagt Chojnacki.
Zarte Pflänzen sprießen schon: In Kostrzyn wurde mit Projektmitteln ein Laden für die Produkte der Bauern eingerichtet, die mit Hilfe des WWF bereits auf ökologische Landwirtschaft umgestellt haben. Diesseits der Oder ist dies ein Trend, der schon länger anhält. „Die Tendenz zum ökologischen Landbau steigt hier“, freut sich etwa Brandenburgs Umweltminister Wolfgang Birthler: Mit 73.400 Hektar Bio-Anbaufläche belegt das Bundesland Platz zwei in Deutschland.
Erste Erfolge konnte das „Grüne Band Oder Neiße“ in der strukturschwachen Region bereits verzeichnen: Polnische Wojewodschaften beginnen bereits mit großflächigen Schutzgebietsausweisungen.
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