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Kost the Ost – Immer mehr Biker in Polen Biker

■ Der Radtourismus hat als sanfte Urlaubsform einen Gang zugelegt

Auf wessen Spuren man auch immer wandelt – auf denen der Hanse, denen von Siegfried Lenz oder denen von Wisenten und Wölfen: Die natur- wie kulturgeschichtsträchtige Gegend rund um die Masurische Seenplatte im Nordosten Polens ist jedenfalls der Renner in den Katalogen der Anbieter von Radreisen.

„Schon seit Jahren gehört Polen in die Top Ten der bei uns am häufigsten nachgefragten Reiseziele“, berichtet Frank Hoffmann. Der stellvertretende Bundesgeschäftsführer beim Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) erklärt den Trend mit der Suche des Radlers nach „weitgehender Unberührtheit von Landschaft und Natur“.

Der Radtourismus als sanfte Urlaubsform hat längst einen Gang zugelegt. Inzwischen machte jeder zehnte Deutsche schon mal eine längere Reise mit dem Drahtesel. 1,9 Millionen waren es im vergangenen Jahr.

Doch die üblichen Vorurteile halten sich hartnäckig: Noch immer hat Polen mit einem negativen „Klau“-Image zu kämpfen – „zu Unrecht“, findet Klaus Hoffmann. Haupthemmnis der Velo-Reiselust nach Osteuropa ist laut Hoffmann jedoch eine „negative Entwicklung“ bei der Fahrradmitnahme durch die Bahn. Von Bremen müssen Radler gleich mehrfach umsteigen. Durch den bevorstehenden Fahrplanwechsel an diesem Wochenende soll auch die Schnellverbindung über Berlin wegfallen. An grenzüberschreitenden Zügen bleiben nur noch drei Interregios pro Tag von Dresden nach Warschau. Möglich wären auch Nahverkehrsverbindungen über Frankfurt/Oder: Aussteigen, einmal über die Stadtbrücke schieben, und drüben stehen Radlern sämtliche Züge mit Gepäckwagen zur Verfügung.

Neben dem schwachen Bahnangebot hinkt laut ADFC auch der Ausbau der Straßen-Infrastruktur dem Velo-Touristen-Ansturm hinterher. Service und Beschilderung seien oftmals noch etwas abenteuerlich, aber viele polnische Hoteliers machten das mit kreativen Ideen, Gastfreundlichkeit und Engagement wieder wett. Flexible, für Durchreise-Urlauber ausgelegte „Bed & Bike“-Konzepte seien dort schwer im Kommen, die polnische Hotelbranche hoch interessiert an der „Zielgruppe Radwanderer“, so das Fazit der Experten auf der vergangenen Internationalen Tourismus-Börse (ITB).

„Polen hat neben Schweden den größten Zulauf“, berichtet auch Inge Hauer von „Rückenwind e.V.“, einem der größten deutschen Radreiseveranstalter. Sie ist sich sicher: „Polen ist das Zielgebiet der Zukunft.“ Zwischen 1995 und dem vergangenen Jahr habe sich die Nachfrage verfünffacht“, und das, „obwohl es in Polen gar keine Radreisewege im herkömmlichen Sinn gibt“, so Hauer. In der Saison von Ende Mai bis Ende September radeln hier vor allem Deutsche, Österreicher und Amerikaner.

Auch diesseits der Oder ist das Bild ähnlich: zweistellige Zuwachsraten der Fahrradtouristen – mittlerweile rund eine Million pro Jahr – hat auch das Gebiet um die Mecklenburgische Seenplatte zu verzeichnen. Für den neuen Radwanderweg entlang der Mecklenburgischen Seen konnten die Fremdenverkehrsämter 1999 mehr als 50.000 Anfragen verbuchen – für den ADFC eine „regionale Erfolgsstory“ in puncto Radtourismus, von der man auch wichtige Impulse für die heimische Wirtschaft erwartet. Der 614 Kilometer lange Radweg führt von Lüneburg nach Usedom, gesäumt von rund 90 Hotels und Jugendherbergen. Viele lokale Hotels sich zusammengeschlossen und organisieren im Verband den Gepäcktransport von Radreisegruppen.

Trotzdem klagen auch hier die Touristenverbände über die noch immer „sehr durchwachsene“ Qualität der Radwanderwege. „Jeder Eimer mit Asphalt ist eine Investition“, appellieren die Tourismusstrategen an Landräte und Hoteliers für ein besseres Image beim Reiseservice. Zum Teil werden kostenlos Karten verteilt – mit allen Sehenswürdigkeiten, Adressen und Touren, die als „Erschließungshilfe“ für die Radwanderer gedacht sind.

Christoph Rasch

Die Deutsche Bahn hat eine „Radfahrer-Hotline“ unter 01803  194 194 eingerichtet

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