Auf Du und Du mit Tinnitus und Hörsturz: Sensibel fürs Ohr
■ Schon zehn Prozent der Kinder haben Hörschäden / Bremen startet Kampagne
Die Spielzeugpistole ist schlimmer als das Gewehr beim Bund: Auf 180 Dezibel bringt es das Plastikteil – ein kleiner Düsenjet neben dem Innenohr. Kein Wunder, dass sich sämtliche Prognosen über künftige Hörschäden der Kindergartengeneration in die Höhe schrauben. Rund zehn Prozent eines Jahrgangs haben bereits irreversible „Hörverluste“.
Ein Fall für Ärzte, Hörgerät-Akustiker, senatorische Gesundheits- und Bildungsbehörde: Sie wollen die Kids für die Ohren sensibilisieren. Sonst ist der Pistolenknall irgendwann das letzte Geräusch, was es ohne Tinnitus-Gebrumm zu hören gab. „Take care of your ears“, heißt die frisch gestartete Ohr-Kampagne, die Bremen als kleinstes Bundesland als erstes flächendeckend umsetzten will.
Und damit die Aktion nicht an den Ohren der kids vorbeiläuft, wurden poppige Fernsehspots bei Viva und MTV geschaltet. Außerdem will man ab Herbst in die Schulen gehen: Fünfte Klasse, Musikunterricht. Ran an die Altersgruppe, die noch nicht diskoreif ist, um vom Gehör zu retten, was zu retten ist. 5.000 Unterrichtsmaterialien hat die Aktion bundesweit gesponsert. Kommt noch mehr Geld rein, sollen weitere Exemplare gedruckt werden, verspricht Ideengeber und Gründervater der Aktion Michael Strahl.
In Bremen will das Bildungsressort die Kampagne „so schnell wie möglich umsetzen“. Bereits gestern gingen die ersten Fax-Einladungen an Bremens Musiklehrer für die Sekundarstufe I raus. Mitte Juni will das Bildungsressort eine Fortbildung im Landesinstitut für Schule (LiS) anbieten, um die Musiklehrer einzustimmen auf das sensible Organ.
„Take care of your ears“ will die kids „emotional“ an die Ohren heran führen. Über Klanggärten zum Beispiel. Oder einfach Stille erfahrbar machen. Mit Verboten hat Michael Strahl allerdings nichts im Sinn. Rockkonzerte sind auch für künftige Generationen noch drin, aber bitte mit Stöpseln in den Ohren. Schließlich würden „Hör-Berufe“ wie im Call-Center heute immer wichtiger.
Glücklich über die Kampagne ist auch die Ärztekammer in Bremen: „Wenn wir Krankheiten verhindern können, ist es immer am günstigsten“, sagt Präsidentin Ursula Auerswald. Derzeit sollen rund 16 Millionen Menschen unter Hörschäden leiden. In ein paar Jahren könnten es 22 Millionen sein – fast jeder vierte Bundesbürger.
Auch die Fraktion der Hörgeräte-Verkäufer beteiligt sich an der Prävention. Nicht, weil sie damit in Zukunft weniger Hörgeräte verkaufen wollen. Sondern weil durch aufgeklärte Enkel auch beim Großvater die Akzeptanz für den Knopf im Ohr steige. Denn für Opa kommt die Aktion einfach zu spät. pipe
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