: „Wenn verkaufen, dann an Mieter“
Der Geschäftsführer des Mietervereins, Hartmann Vetter, ist gegen die GSW-Privatisierung. Er befürchtet, dass gute Wohnungsbestände weiterverkauft werden und problematische verkommen. Der Senat soll die Mieter schützen
taz: Herr Vetter, was wird sich durch die geplante Privatisierung der GSW für die Mieter ändern?
Hartmann Vetter: Kurzfristig erst mal nichts, aber mittel- und langfristige Änderungen wird es geben. Ein Investor will schließlich Rendite erzielen. Er wird also nicht weiter Bestandverwaltung machen, sondern die Verwertung der Wohnungen in den Vordergrund stellen. Er wird zunächst die guten Bestände an Mieter oder Dritte verkaufen, später auch andere Bestände. Das, was nicht veräußerbar ist, wird irgendwann dem Land wieder auf die Füße fallen.
Das Land hat bereits eine Wohnungsbaugesellschaft, die Gehag, teilprivatisiert. Haben sich Ihre Befürchtungen dabei bestätigt?
Es gibt erste Anzeichen. Die Hufeisensiedlung wird derzeit zu einem Preis veräußert, der ein Mehrfaches der ursprünglichen Kosten ausmacht. Die Kaufpreise werden also kurzfristig durch den Verkauf der besseren Stücke refinanziert. Die Wohnungsbaugesellschaft wird ausgeschlachtet. Was übrig bleibt, sind die problematischen Bestände. Sie werden irgendwann an das Land rückübertragen, oder das Land muss Programme auflegen, um diese Siedlungen zu retten.
Wäre es dann nicht klüger, die öffentliche Hand würde die Filetstücke selbst verkaufen und den Gewinn einstreichen?
In der Tat. Wenn schon verkauft wird, dann an die Mieter zu den Preisen, die die Investoren zahlen.
Was würden Sie den Mietern raten, denen der Kauf ihrer Wohnung angeboten wird?
Jeder muss prüfen, ob ein Kauf mit Blick auf die Lebensplanung, die wirtschaftliche und soziale Situation und den Wert der Wohnung in Frage kommt.
Mieter haben Angst, verdrängt zu werden. Was kann man tun, wenn man nicht kaufen will?
Bevor verkauft wird, müssen die Mietverträge durch eine entsprechende Regelung individuell ergänzt werden, um die Mieter vor Eigenbedarfskündigungen und vor Kündigungen wegen wirtschaftlicher Verwertung zu schützen. Diese Ergänzungen muss der Senat bei der Privatisierung sicherstellen. Nur so können Mieterrechte langfristig gesichert werden. Ein Kündigungsschutz allein im Kaufvertrag ist für die Mieter im Zweifel nichts wert.
Müssen die Mieter nach einem Verkauf Mieterhöhungen befürchten?
Das Mietrecht gilt unabhängig von der Eigentümerfrage, der neue Eigentümer muss zum Beispiel auch die Kappungsgrenzen beachten. Die Frage ist allerdings, ob man bei den Mieterhöhungen an die Grenze des Zulässigen geht. Und die Erfahrung zeigt, dass bei den städtischen Wohnungsbaugesellschaften im Vergleich zu den privaten die Mietsteigerungen nur halb so hoch waren.
Werden die städtischen Wohnungsbaugesellschaften nicht nachziehen? Schließlich sind die öffentlichen Kassen leer.
Das kann natürlich sein. Aber bevor es drastische Mieterhöhungen gibt, gibt es andere Möglichkeiten für Einsparungen und Effizienzsteigerungen. Bei den Betriebskosten kann das sogar den Mietern zugute kommen. Dieser Vorteil darf natürlich nicht durch Mieterhöhungen wieder kompensiert werden.
Interview: RALPH BOLLMANN
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen