: Mäkeleien nach Elián-Richterspruch
Der kleine Kubaner muss kein US-Asylverfahren durchmachen, aber nach Hause darf er immer noch nicht
WASHINGTON taz ■ Ein für die Region Florida zuständiges Bundesgericht in Atlanta hat entschieden, dass die US-Einwanderungsbehörde im Rahmen ihrer Kompetenz gehandelt hat, als sie es ablehnte, einen für den 6-jährigen Elián González gestellten Asylantrag zu behandeln. Damit errang der Vater des Kindes einen Sieg im Streit mit dem Onkel um Eliáns Aufenthaltsbestimmungsrecht.
Elián González ist seit seiner Rettung aus der Karibik bei der Flucht seiner Mutter aus Kuba im November 1999 Objekt eines heftigen internationalen Tauziehens zwischen dem von der Mutter geschiedenen Vater Juan Miguel González, der in Kuba geblieben war, und den Angehörigen Eliáns in Miami, die das Kind in Amerika behalten wollen. „Auf den ersten Blick ist dies die Geschichte eines Kindes und seines Vaters,“ schrieb das Gericht in Atlanta jetzt in seiner Urteilsbegründung, „doch für uns ging es in diesem Fall um die Gewaltenteilung im amerikanischen Verfassungssystem und die Rechte der Exekutive.“
Die US-Presse hob gestern den zwiespältigen Charakter des Urteils hervor, das J. L. Edmondson, ein von Ronald Reagan ernannter konservativer Richter, erlassen hat. Das Urteil durchzieht ein Tenor der Missbilligung der Vorgehensweise der Regierung: Man hätte den Fall anders entscheiden können, dieses Gericht hätte ihn womöglich anders entschieden. Die Einwanderungsbehörde habe aber im Rahmen der ihr vom Kongress eingeräumten Zuständigkeiten gehandelt. Das Gericht konzedierte, dass es problematisch sei, ein Kind zurück in eine Diktatur zu schicken, doch letztlich entschieden über das Wohl des Kindes dessen Eltern; deren Tauglichkeit als Erziehungsberechtigte sei nicht durch die Regierung präjudiziert, unter der sie leben.
Die Angehörigen Elián González’, die den Prozess gegen die Einwanderungsbehörde angestrengt hatten, schöpfen aus der scheinbaren Ambivalenz des Urteils Hoffnung und erwägen, Berufung einzulegen oder gar das Oberste Gericht anzurufen. Juristische Fachleute räumen einer Revision allerdings wenig Chancen ein. „Wenn sie J. L. Edmondson nicht für sich gewinnen konnten,“ sagte Nina Totenberg, die Rechtsexpertin von National Public Radio, „dann finden sie in Amerika keinen Richter, der ihnen Recht gibt.“
Vater und Sohn González können gleichwohl noch nicht nach Hause fahren. Das Gericht hat eine Berufungsfrist von 14 Tagen gesetzt, erst danach wird es ein Mandat zur Vollstreckung ausstellen. PETER TAUTFEST
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