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Die ILA will abheben

Mit Geschäften wollen die Aussteller auf der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA) in Schönefeld landen. Messe punktet gegen die französische und britische Konkurrenz

von RICHARD ROTHER

Die morgen beginnende Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA) in Berlin-Schönefeld verspricht spannend zu werden. Erstmals seit der Katastrophe von Ramstein werden wieder Kampfjets in Formation über Deutschland kreisen. Ob die acht Alpha-Jets der „Patrouille de France“ unbeschadet wieder an den Boden zurückkehren – diese Frage soll für Nervenkitzel unter den Zuschauern sorgen. Für die Veranstalter indessen ist viel spannender, wer hinter den Kulissen welche Geschäfte landet.

Die Veranstalter hoffen auf strategische Entscheidungen. „Für uns wäre toll, wenn die ILA mit wichtigen wirtschaftlichen Entscheidungen in Verbindung gebracht würde“, sagt Diana Winkler, Sprecherin des Bundesverbandes der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI). Das gilt gleich für mehrere Milliardenprojekte: für den europäischen Großraum-Jet A 3 XX von Airbus, den Militärtransporter A 400 M sowie den Militärhubschrauber NH 90.

Der Verband organisiert gemeinsam mit der Messe Berlin die alle zwei Jahre stattfindende Schau. Sollten hier die Weichen für Großprojekte gestellt werden – für die Schönefelder Messe bedeutete dies einen enormen Image-Gewinn. Die ILA will sich schließlich gegen die europäische Konkurrenz durchsetzen: gegen die Luftfahrtmesse im englischen Farnborough und den traditionsreichen Flugsalon Le Bourges bei Paris.

In diesem Jahr sind die Engländer, deren Messe mit der ILA vergleichbar ist, zum Angriff übergegangen. Statt wie üblich im Herbst wird Farnborough nur wenige Wochen nach der ILA über die Bühne gehen. Genutzt habe das wenig, sagt Winkler. Bei der ILA sei eine Rekordbeteiligung erreicht worden. Der wichtigste Aussteller fehlt jedoch – der amerikanische Flugzeugkonzern Boeing, weltweit der größte der Branche. Winkler: „Das tut uns weh.“ Immerhin ist Boeing mit einigen Militärflugzeugen vertreten, darunter der für Radar „unsichtbare“ US-Tarnkappenbomber F 117, von dem ein Exemplar allerdings vor einem Jahr unsanft auf dem Boden des Kosovo landete.

Sollte den ILA-Planern jedoch der größte denkbare Coup gelingen, dürfte Boeing mit seinem Zivilprogramm kaum noch um den Vorort im Südosten der Hauptstadt herumkommen. Die Entscheidung für den Bau des geplanten europäischen Großraumjets A 3 XX könnte auf einer Airbus-Aufsichtsratssitzung auf der ILA fallen. Mit dem ehrgeizigen 24 Milliarden Mark teuren Projekt, an dem die deutsche Dasa, die französische Aereospatiale, die spanische Casa und die britische BAe Systems beteiligt sind, wollen Europäer gegen die nach wie vor übermächtige US-Konkurrenz ankämpfen. Die hält einen Weltmarktanteil von rund drei Viertel.

Bis dato sind allerdings noch nicht genügend Orders internationaler Fluggesellschaften eingegangen. Zudem können sich die Airbus-Partner nicht auf einen Produktionsstandort für das Hightech-Projekt einigen: Hoffnungen machen sich Toulouse, Hamburg und – etwas abgeschlagen – Rostock. Unklar ist darüber hinaus die finanzielle Absicherung des Projektes, für die die Industrie Kredite von den Airbus-Staaten verlangt. Eine am Rande der ILA geplante Ministerkonferenz schafft möglicherweise Klarheit.

Die neue (Weltmarkt-)Konkurrenz zwischen den Nato-Partnern aus Europa und Amerika – augenfällig geworden am Gerangel um den geplanten US-Raketenabwehrschild – spielt indirekt auch auf der ILA eine Rolle. Langfristig gesehen, können die militärpolitisch abgeschlagenen Europäer nur dann gegenüber den USA an Boden gewinnen, wenn es ihnen gelingt, einen einheitlichen europäischen Flugzeug- und Rüstungskonzern zu schaffen. Ein erster Schritt dazu war die Konzentration auf den Branchenriesen European Aereonautic Defence and Space Company (Eads). Darin sollen Dasa, Casa und Aereospatiale aufgehen – die Briten fehlen allerdings noch. Die Eads wird sich erstmals auf der ILA öffentlich einem größeren Publikum präsentieren.

Ein Riesenauftrag für den neuen Konzern, der am Rande der Ausstellung verhandelt wird, könnte der geplante europäische Militärtransporter sein. Dafür hat Airbus bereits den Namen A 400 M kreiert. Hier warten die Hersteller noch auf die Bestellungen der Regierungen. Eine entscheidende Rolle spielt die Bundesregierung, die ihre westeuropäischen Partner mit einer Variante auf der Basis der russischen Antonow brüskiert hat. Die AN 7 X ist angeblich preiswerter. Den Milliarden-Auftrag hätten dann russische, ukrainische und deutsche Firmen unter sich aufgeteilt. Wer mit wem kooperiert, ist allerdings keine finanzielle, sondern in erster Linie eine (militär-)strategische Entscheidung. Winkler: „Damit legt man sich für die nächsten 30 Jahre fest.“

Die Wahrscheinlichkeit, dass auf der ILA wichtige Entscheidungen gefällt werden, ist im Hubschrauberbereich am größten. Dabei geht es um die Verträge für den militärischen Transporthubschrauber NH 90, den ein europäisches Konsortium bauen will. Zwar gibt es hier auch Angebote aus den USA. Allerdings rechnet in der Branche niemand damit, dass der Auftrag nach Übersee geht. „Warum sollen wir mit EU-Steuergeldern die amerikanische Wirtschaft ankurbeln?“, fragt ein Insider.

Vielleicht kommen sich so die europäischen Konkurrenzmessen näher. Die ILA-Veranstalter wünschen, dass jährlich eine große Luft- und Raumfahrtmesse in Europa stattfindet – rotierend in Frankreich, England und Deutschland. Für manchen Anwohner rund um Schönefeld wäre dies ein kleiner Gewinn: Statt alle zwei Jahre würden Tarnkappen- und andere Bomber nur noch alle drei Jahre ihre Loopings vorführen.

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