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ex und pop (2): folkloreputzpavillon

von DIETRICH ZUR NEDDEN

Beim Gang über das Weltausstellungsgelände begegnet man sinnvollerweise vor allem Menschen aus aller Welt, oftmals zusammengefasst in Folkloregruppen, die aus denselben Ländern kommen wie die Mitarbeiter der Putzkolonnen. Ob sie einen ähnlich hohen Lohn bekommen wie die Bauarbeiter an gleicher Stelle zuvor, so um die sechs Mark netto?

Im Deutschen Pavillon ist die Stimmung so weit ganz prima. In der Preshow stolpert man durch einen „Ideenwerkstatt“ genannten Wartesaal, in dem 47 Gips-, nicht Holzköpfe darauf warten, bei den Besuchern „ein sinnliches Erlebnis von Themen, Konflikten, Möglichkeiten der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft“ zu implantieren. Auf Schultafeln nachempfundenen Schultafeln kann man Kommentare hinterlassen – um dann in die Mainshow eingelassen zu werden, ein Rundumkino. Danach die Postshow: ausgestattet von den Bundesländern. Man hätte selbstverständlich auch Tourismus-Broschüren und Unternehmens-Faltblätter auslegen können, das wäre nur nicht ganz so multimedial gewesen.

Die so genannte Deutsche Wirtschaft blamiert sich mit zwei Kabäuschen, in denen etliche 3-D-Figurentheater den üblichen Quark über Globalisierung und Wettbewerb pädagogisch wertvoll aufbereiten. Das war’s. Kein Wunder, dass ein Journalist nach einem Besuch in der „Afrikahalle“ sich beklagt, bei vielen Ländern bestimme „vor allem Kunsthandwerk und Tourismuswerbung“ das Bild. „Hunger und Elend kommen hingegen kaum vor.“

Davon kann beim Galaabend vor 3.000 Ehrengästen zur Eröffnung keine Rede sein. Nach Ansicht der Expo-Chefin Birgit Breuel werde die Weltausstellung helfen, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass die Ressourcen der Welt nicht unerschöpflich seien. Dazu wird ein Vier-Gänge-Menü gereicht, zubereitet von 34 deutschen Spitzenköchen. 750 Kellner, Barkeeper und Tellerwäscher sind im Einsatz, rund 100.000 Teile Geschirr im Umlauf. „Die Speisen waren zuvor in ganz Deutschland vorbereitet und mit Kühllastwagen zur Expo-Eröffnung transportiert worden.“

Indessen kommt man sich in der Stadt vor wie in einem dieser Thriller, wenn die Helicopter des LAPD über Los Angeles kurven. Dauernd kneistern Hubschrauber über die Dächer Hannovers. Der „größte Polizeieinsatz in der Geschichte der Bundesrepublik“. Fast 7.000 Polizei- und Bundesgrenzschutzbeamte sind zugegen. Ein Journalist berichtet im Internet von einer Reclaim the Streets-Party in der Innenstadt: „Obwohl tatsächlich nur getanzt und Musik gehört wurde und weder Verkehr noch Passanten behindert wurden, stürmten immer wieder polizeiliche Greiftrupps in die Menge, warfen dabei junge Frauen zu Boden, rempelten einen Vater mit Kind auf der Schulter so heftig an, dass der Kleine fast zu Boden gestürzt wäre, knieten zu dritt in voller Montur auf ihren Opfern und schlugen heftig mit dem Knüppel zu.“ Die „Worte des Tages“ im Presseverteiler der Expo GmbH stammen denn auch von Frau Breuel, die sich bei den Medien für die wohlwollende Berichterstattung bedankt: „Ihr habt uns toll behandelt.“

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