Filmstarts à la carte: Die Vorzüge von Pappsäulen und Gipsstatuen
■ Immer wieder wird Giovanni Pastrones 1914 entstandenes Antikopus „Cabiria“ als der erste Monumentalfilm der Filmgeschichte bezeichnet. So ganz läßt sich diese Behauptung wohl nicht aufrechterhalten, denn in Filmen wie „Der Fall Trojas“ (1910), “Quo vadis?“ (1912) und „Die letzten Tage von Pompeji“ (1913) hatten sich die italienischen Regisseure der frühen 10er Jahre bereits vor „Cabiria“ den Stoffen der Antike gewidmet und diese mit den genreüblichen Zutaten ausgestattet: gewaltige Kulissen, Löwen im Circus Maximus und Heere von Statisten. Allerdings war „Cabiria“ der bedeutendste und modernste dieser Filme: Pastrone ließ für sein zu Zeiten der Punischen Kriege spielendes Action-Melodram erstmals durchweg begehbare, plastische Kolossalbauten errichten, experimentierte mit Kamerafahrten und filmte streckenweise an Originalschauplätzen in Sizilien, Nordafrika und den Alpen. Zudem konnte er den berühmten Dichter Gabriele D‘Annunzio für das Verfassen der Zwischentitel gewinnen. „Cabiria“ erzählt die verwickelte Geschichte eines Mädchens, das in den Wirren nach einem Vulkanausbruch auf Sizilien (wirklich prima: Da krachen die Säulen und wackeln die Statuen) von Piraten geraubt wird und allerlei haarsträubende Abenteuer erleben muss, ehe es schließlich als Frau des edlen Römers Fulvio heimkehren kann. Als Retter vor blutrünstigen Hohepriestern und sonstigen Gefahren tritt dabei stets Fulvios Diener Maciste (Bartolomeo Pagano) in Erscheinung, ein Hüne im Leopardenfell, der in seinen diversen Inkarnationen den italienischen Sandalenfilm noch bis in die 60er Jahre hinein unsicher machte.
„Cabiria“ 14.6. im Arsenal 2
■ Die Bedeutung ungarischer Filmschaffender für die Entwicklung des Kinos in aller Welt ist gar nicht hoch genug einzuschätzen. Der deutsch- österreichische Operettenfilm wäre ohne ungarische Regisseure und Darstellerinnen kaum denkbar, und auch einige von Hollywoods besten Action- Regisseuren wie Michael Curtiz und André de Toth stammten aus dem Land der Magyaren. Der berühmteste aktive ungarische Regisseur heißt István Szabó und ist hiezulande vor allem durch seine Verfilmung von Klaus Manns Schlüsselroman „Mephisto“ bekannt geworden, in der sich Klaus Maria Brandauer als eitel-genialer Schauspieler - in Anlehnung an Gustaf Gründgens - als Aushängeschild der Nazi-Kultur mißbrauchen läßt und sich in den Verstrickungen von Politik und Kunst heillos verheddert. Im Balázs-Kino hat man Szabó nun einen ganzen Tag gewidmet: Am 12.6. laufen neben „Mephisto“ auch die Filme „Oberst Redl“ und „Hanussen“, die - ebenfalls mit Brandauer in den Titelrollen - zwei weitere deutsch- österreichische „Karrieren“ in der Zeit von Kaiserreich und Weimarer Republik beleuchten. Zur Vorführung von „Süße Emma, liebe Böbe“, einem Drama um zwei junge Lehrerinnen, die sich im postsozialistischen Ungarn nicht richtig zurechtfinden, wird Szabó sogar höchstpersönlich im Kino erwartet, um mit den Zuschauern über sein Werk zu diskutieren.
István Szabó Tag: „Süße Emma, liebe Böbe“, „Oberst Redl“, „Hanussen“, „Mephisto“, „Sunshine - Ein Hauch von Sonnenschein“ 12.6. im Balázs
■ Shakespeares Königsdrama „Henry V.“ blieb stets ein umstrittenes Werk: Schließlich bricht der Held unter einem ziemlich zweifelhaften Vorwand einen Krieg vom Zaun, um das Nachbarland seinem Reich einzuverleiben. Kenneth Branagh drehte einen entsprechend düsteren Film voller blutiger und schlammiger Schlachten und porträtiert König Henry als eine durchaus zwiespältige Figur, dessen jugendlicher Übermut seine Entsprechung in einer außerordentlich dynamischen Kameraarbeit findet. Am Ende, nach der Schlacht von Azincourt, weiß der König dann allerdings nicht einmal mehr, wer eigentlich gewonnen hat.
„Henry V.“ 8.6.-11.6. im Filmmuseum Potsdam
Lars Penning
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