village voice: „G.B.Z.-Oholika II“, das neueste Machwerk der Spezializtz
Schultheiss? Freiwillig?
Die allerelegantesten Reimschmiede waren sie noch nie. Es gab und gibt eine Menge Rapper, bei denen die Worte sanfter fließen, deren Bilder und Metaphern bei weitem fantasievoller sind und die wahrlich interessantere Dinge zu erzählen haben als die Spezializtz. Aber die beiden Berliner haben zweifellos eine eigene Sprache gefunden, und die ist vor allem eins: markant.
Auch auf ihrem neuestes Machwerk „G.B.Z.-Oholika II“ sind Oliver Harris und Dean Dawson sofort an ihrem gewohnt schnoddrigen Sprech zu erkennen, der sich immer um dieselben Begriffe dreht. Dabei zentral: „aus Täsch kommen“ bzw. „aus Tash kommen“. Woher und wohin ist egal, Hauptsache nicht mehr in der „Täsch“.
So sind die Themen wie auch schon auf dem 98er-Debüt der beiden Afrodeutschen eher eingeschränkt: „G.B.Z.“ steht immer noch für „Gras, Bier und Zärtlichkeit“, und für mehr ist im Spezializtz-Kosmos auch gar kein Platz: „Wir sind bekannt im ganzen Land, mit ’nem Joint in der rechten und ’ner Beck’s-Fläsch in der linken Hand“, rappt es in ungezählten Varianten.
Frauen heißen immer noch Babsies, und die beiden haben auch schon bemerkt: „Viele Fotzen finden unsern Style einfach zum Kotzen.“ In „Clubflash“ bekommt das andere Geschlecht aber immerhin Gelegenheit zur Entgegnung. Brixx und Bintia bringen das Problem mit Dawson und Harris denn auch auf den Punkt: „Ihr habt keine Ahnung vom Leben und sich ständig Bier geben/ Verblödet halt eben, so ist nun mal das Leben.“ Der Mut zur Selbstkritik dauert allerdings nur fünf Minuten, und den letzten Lacher haben sich die Spezializtz dann wieder selbst vorbehalten. Aber der Erfolg gibt ihnen Recht: Mit weitgehend humorfreiem Sexismus und Schwulenwitzen haben sie es nicht nur ins Musik-TV, sondern verdientermaßen sogar bis ins Vorprogramm der Bloodhound Gang geschafft.
Ansonsten natürlich: Jede Menge Beschimpfungen „hodenloser HipHop-Pseudo-Homo-Homes“ und andererseits Lobpreisungen der eigenen Rap-Fertigkeiten. Das ist also ziemlich strikt alte Schule. So sind sie mit ihren gewaltigen Afros und der marketingtechnisch nicht unerheblichen kleinkriminellen Vergangenheit auch als erster deutscher Act auf dem legendären HipHop-Label Def Jam gelandet. Das hat ihnen vor allem im Ausland, erzählen die beiden in Interviews, eine geradezu unglaubliche Reputation verschafft. Sollte es einem zu denken geben, dass ausgerechnet zwei homophobe Partyhengste das Bild von deutschem HipHop im Ausland mitbestimmen?
Der Großteil der Beats stammt von ihrem Berliner Hausproduzenten Thomas Schmidt, flirrt mitunter sogar verträumt dahin, gibt sich aber vor allem Mühe, den beiden Rappern nicht allzu sehr in die Quere zu kommen. Allerdings hat man sich auch ins aktuelle Zentrum der Definitionsmacht für DeutschHop-Beats begeben und sich einige Tracks in Stuttgart von Thomilla und AndY von den Fantastischen 4 bauen lassen. Wasi von den Massiven Tönen hat Scratches beigesteuert.
In Interviews legen sie zwar viel Wert darauf, Berlin zu repräsentieren, und ihr Tonfall kommt von irgendwo zwischen Weddinger Taxifahrer-Idiom und Kreuzberger Lederkutten-Gesabbel. In „Wollt Ihr ...?!“ wird sogar ein bisschen berlinert, in „Bärliner Styles“ wird die Hauptstadt trotzig zum Abenteuerspielplatz für heroische Gesetzesbrecher und fröhliche Dauerkiffer zurechtgerappt. Doch beim Bier hört‘s bei den beiden Beck’s-Trinkern bekanntermaßen schon auf. Die Hauptstadt taucht ansonsten nicht auf, die geladenen GastrapperInnen, neben Brixx und Bintia auch Afrob und Immo, kommen eher aus Bremen, Stuttgart oder Hamburg. Aber wer trinkt schon freiwillig Schultheiss und ist auch noch stolz darauf?
Nun liegt es wohl nicht am erbärmlichen Zustand des hiesigen Brauereiwesens, dass die Berliner HipHop-Szene im Vergleich zu den Kollegen aus dem Rest der „Rapublik“ nicht so recht „aus Täsch“ kommt. Allerorten wird nun seit Jahren prophezeit, dass Berlin der nur schlummernde Riese des DeutschHop sei. Aber noch ist es nicht so weit, noch beherrschen die Kollegen aus Hamburg und Stuttgart weiter den Diskurs, und solange rulen die Spezializtz noch Berlin. Das allerdings sagt mehr über Berlin als über sie. THOMAS WINKLER
Spezializtz: „G.B.Z.-Oholika II“ (Def Jam Germany/Universal)live am 14. 6. im ColumbiaFritz, Columbiadamm 9 – 11, Tempelhof
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