Gutachter für Möbel: Edel-Schätzer
■ Nur wenige vereidigte Gutachter bestimmen den Wert edler Möbelstücke
Wer wissen will, wie viel das Vertiko von der Großmutter wert ist, kann bei den Inhabern renommierter Antiquitätengeschäfte sein gutes Stück verlässlich schätzen lassen. Wer allerdings ein offizielles Gutachten über den Wert einer Antiquität benötigt, zum Beispiel bei Diebstahl für die Versicherung oder bei Streitigkeiten vor Gericht, muss sich an einen von der Handelskammer bestellten und vereidigten Sachverständigen für Antiquitäten wenden. Im Unterschied zu den selbst ernannten Schätzern der Branche – die Bezeichnung Gutachter ist in Deutschland nicht geschützt – wird als offizieller Gutachter nur anerkannt, wer mehrere Fürsprecher, so genannte Paten, hat. Außerdem muss bei Vorbehalten seitens der Handelskammer eine Prüfung abgelegt werden.
„Da gibt es einen Herrn Neuse“ - diese Antwort hört man immer wieder auf die Frage, wer denn hier in Bremen offizielle Gutachten erstelle. Unter den Gutachtern gilt er als Guru. Neuse ist seit über 30 Jahren Händler für alte Kunst, seit seinem 25. Lebensjahr ist er als vereidigter Gutachter tätig. „Damit man gar nicht erst in Versuchung gerät, Gefällig-keitsgutachten zu machen, ist die menschliche Zuverlässigkeit mindestens ebenso wichtig wie das eigentliche Fachwissen“, erklärt Achim Neuse. Neuses persönlicher Schwerpunkt liegt auf Kunstgegenständen, die aus der Zeit vor 1800 stammen und einen höfischen Bezug haben.
Für den Kunstliebhaber ist seine Arbeit zugleich eine persönliche Leidenschaft. „Ich begutachte Dinge, die wirklich Qualität haben“, sagt er. So lässt er sich, bevor ein Gutachten erstellt wird, immer erst ein Foto des betreffenden Möbels schicken. Wer nur mal eben Omas Schrankwand aus den 20er Jahren schätzen lassen will, ist bei Achim Neuse nicht unbedingt an der richtigen Adresse. Zumal die Kosten für das Gutachten vermutlich den Wert des Möbels übersteigen würden. „Gerichtsgutachten – und um die geht es mir hauptsächlich – mache ich nicht unter 1.000 Mark“, sagt Neuse.
Neben Neuse sind noch drei andere Experten in Bremen vereidigt. Seit zwei Jahren dabei ist zum Beispiel die Historikerin Monica Borgward. Ihr Spezialgebiet: Glas des 18. bis 20. Jahrhunderts. Da sie sowohl ihr Geschäft als auch ihre Galerie für zeitgenössische Glaskunst vor einigen Jahren aufgegeben hat, stellt die Gutachtertätigkeit eine neue Herausforderung dar. „Durch jedes Gutachten werde ich klüger“, erzählt Borgward. „Je schöner die Geschichte zu einem Gegenstand, desto skeptischer muss man sein“. Und so prüft die Historikerin sehr genau, ob ein Glas wirklich aus dem 18. Jahrhundert stammt, oder ob es sich nicht doch nur um einen Historismus aus dem 19. Jahrhundert handelt.
Tanja Vogt
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