: Lexikalisches Gehirn
Der iranische Übersetzer Chalil Rostamchani sitzt in Teheran im Gefängnis. Er half bei der Vorbereitung einer Konferenz der Heinrich-Böll-Stiftung
Für ausländische Journalisten und andere Iran-Reisende war er stets eine große Hilfe. Der Übersetzer Chalil Rostamchani übertrug Texte aus dem Persischen nicht nur beinahe in Echtzeit ins Englische, sondern half auch bei der Organisation von Terminen und durch sein Wissen über den Werdegang beinahe jedes iranischen Politikers. Ihr Mann habe ein Gehirn „wie ein Lexikon“, sagt seine Frau Roschanak Dariusch, ebenfalls Übersetzerin.
Das ist dem 47-Jährigen nun zum Verhängnis geworden. Als Rostamchani am 8. Mai nach Hause kam, warteten dort schon Beamte des Teheraner Revolutionsgerichtes. Sie hatten Haftbefehle gegen ihn und seine derzeit auf Einladung des PEN-Zentrums in München lebende Frau. Die Beamten beschlagnahmten den Computer und diverse Unterlagen des Übersetzers, ihn selbst brachten sie in das berüchtigte Evin-Gefängnis. Dort sitzt er seither, ohne dass eine offizielle Stelle es für nötig befunden hätte, einen Grund dafür zu nennen.
Für Rostamchanis Familie liegt der Anlass jedoch auf der Hand: die Iran-Konferenz der Heinrich-Böll-Stiftung am 7. April in Berlin. Die von Exiliranern massiv gestörte Veranstaltung wird von konservativen iranischen Medien als „islamfeindlich“ gegeißelt. Alle aus der Islamischen Republik angereisten TeilnehmerInnen wurden nach ihrer Rückkehr vor das Revolutionsgericht zitiert, zwei sitzen immer noch in Haft. Rostamchani hatte zwar nicht an der Konferenz teilgenommen, war aber an deren Vorbereitung beteiligt. Als zwei Mitarbeiter der Grünen-nahen Stiftung Anfang des Jahres nach Teheran reisten, übersetzte er und vereinbarte Termine, mit Wissen der iranischen Behörden.
Das Evin-Gefängnis kennt Rostamchani schon von früher: Von 1990 bis 1992 saß er dort aus politischen Gründen. Nach seiner erneuten Festnahme nahm sich die prominente Anwältin und Menschenrechtsaktivistin Schirin Ebadi des Falles an. Inzwischen hat sie aber ihr Mandat niedergelegt, weil sie weder ihren Mandanten besuchen noch die Akten einsehen durfte. „Wenn eine Rechtsanwältin nichts für ihren Klienten tun kann, sollte sie nicht als Alibi fungieren“, begründete sie ihren Schritt. Gestern wurd auch gegen sie Haftbefehl erlassen.
Hauptleidtragender des Falles Rostamchani ist neben dem Übersetzer dessen Sohn Kave. Der Zwölfjährige lebt nun bei seiner Großmutter. Seine Mutter würde ihn gerne zu sich nach München holen. Doch abholen kann sie ihn wegen des gegen sie vorliegenden Haftbefehls nicht, und die Behörden weigern sich, den Jungen alleine reisen zu lassen. THOMAS DREGER
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