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Auf „Level 3“ reist der Tod immer mit

Der gefesselte Flüchtling auf dem Nebensitz verdirbt Touristen und Geschäftsleuten die Reiselaune. Deshalb führt Swissair keine Abschiebungen mehr durch. Lufthansa führt lieber „konstruktive Gespräche“ mit Innenminister Schily

Mai 1999: Der Nigerianer Aamir Ageeb erstickt auf dem Lufthansa-Flug LH 558 nach Kairo. Beamte des Bundesgrenzschutzes hatten ihm einen Motorradhelm aufgesetzt, ihn an Händen und Füßen gefesselt und seinen Kopf mit Gewalt auf die Knie gedrückt.

Herbst 1998: Die 20-jährige nigerianische Asylbewerberin Semira Adamu stirbt in der Sabena-Maschine von Brüssel nach Togo. Belgische Polizisten hatten ihr ein Kissen auf den Mund gedrückt, um sie am Schreien zu hindern.

Zu solchen Todesfällen kommt es bei Abschiebungen immer wieder, aber dauerhafte Konsequenzen haben erst wenige Fluggesellschaften gezogen. Die Schweizer Swissair führt keine so genannten „Level 3“-Abschiebungen mehr durch, bei denen die Flüchtlinge gefesselt werden.

Der Grund für die Swissair-Entscheidung: Auf einem Flug ins senegalesische Douala gab es nach Auskunft von Pressesprecher Erwin Schärer voriges Jahr „Turbulenzen“. Fluggäste solidarisierten sich mit einem Mann, der abgeschoben werden sollte. Er saß gefesselt und geknebelt in der Maschine, von den übrigen Fluggästen durch einen Vorhang abgetrennt.

Nicht moralische Bedenken haben den Sinneswandel bei Swissair bewirkt, sondern das Geschäftsinteresse: „Weil die übrigen Passagiere sich gestört fühlen oder sogar gefährdet sind, können wir diese Ausschaffungen nicht mehr machen“, begründet Schärer das Verhalten seiner Fluggesellschaft. Es gebe derzeit eine intensive Diskussion mit den Behörden, um „das Prozedere zu regeln“.

Die niederländische Fluggesellschaft KLM will sich nicht „in politische Entscheidungen“ einmischen. KLM ist in die Kritik geraten, weil der Konzern im vergangenen Jahr seine Flüge in den Kongo wieder aufgenommen hat. Wegen der politischen Situation war es zuvor nicht möglich gewesen, abgelehnte Asylsuchende in das Bürgerkriegsland abzuschieben. Sprecherin Angelika Ardelt lässt offen, ob KLM auch gefesselte Flüchtlinge an Bord nimmt. Im Dezember habe es bei der KLM die bislang letzte Abschiebung in den Kongo gegeben.

Die Lufthansa transportiert nach Auskunft ihres Pressesprechers Thomas Jachnow von Deutschland aus derzeit „keine gefesselten, geknebelten oder mit Sturzhelm versehenen Abzuschiebenden“.

Für einen „PR-Gag“ hält die Müncher Ausländerrechtsexpertin Gisela Seidler diese Erklärung: „Es gab nie eine entsprechende Anweisung an die Piloten.“ Gewaltfreie Abschiebungen gebe es ohnehin nicht.

Im März dieses Jahres hat der Leipziger Politologe Klaus-Gerd Giesen auf dem Flug LH 4115 von Paris nach Berlin beobachtet, wie zwei französische Polizisten einen afrikanischen Flüchtling misshandelten. Trotz des Protestes der Passagiere habe der Pilot nicht reagiert. Erst als Giesen ihm rechtliche Konsequenzen androhte, sei der Start abgebrochen worden.

Lufthansa führt in Deutschland ein Drittel bis die Hälfte der Abschiebungen durch. „Wir sind zum Transport verpflichtet“, verteidigt Jachnow diese Praxis. Dies regele das Luftverkehrsgesetz. Solange die Beamten des Bundesgrenzschutzes für den Abzuschiebenden ein Ticket gebucht hätten und dessen Ausweispapiere in Ordnung seien, könne das Unternehmen die Mitnahme nicht verweigern.

Den Verweis auf die Beförderungspflicht hält man bei der Kampagne „Kein Mensch ist illegal“ für ein Ablenkungsmanöver. Die allgemeine Beförderungspflicht solle lediglich gewährleisten, dass jeder Kunde die von ihm gewünschte Dienstleistung auch erhalte. Keinesfalls sei daraus eine Verpflichtung abzuleiten, Passagiere gegen deren Willen zu transportieren.

Für das Luftfahrtunternehmen sei es ein Leichtes, sich von der Abschiebepraxis befreien zu lassen. Es müsse lediglich darlegen, dass die weitere Durchführung von Abschiebungen aus ethischen oder wirtschaftlichen Gründen unzumutbar sei. Bei tropischen Ziervögeln habe die Lufthansa bereits so argumentiert, für Flüchtlinge würden diese Bedenken anscheinend nicht gelten, so Seidler.

Doch der größte Luftfahrtkonzern Deutschlands ist um sein Image besorgt. So werden derzeit „konstruktive Gespräche mit dem Bundesinnenministerium geführt“, wie zukünftig abgeschoben werden soll. Laut Jachnow werde auch über Alternativen zum Transport mit Lufthansa diskutiert, zum Beispiel in Chatermaschinen.

Doch Abschiebungen grundsätzlich zu verweigern und sich damit auch politisch zu artikulieren – so weit geht Lufthansa nicht. „Lufthansa kann die Asylproblematik nicht lösen“, sagt Jachnow. JULIA NAUMANNDIETMAR KAMMERER

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