piwik no script img

Nordsee ist Wortsee

■ Durchziehen mit Deichkind: Das Bergedorfer HipHop-Trio rockt das Haus denn doch zu viert und mit Gaststar Nina MC

Sie wollen mitschnaggen? Bitte lesen Sie durch: Mongo Clikke, Flashen, Digger, Styles kicken. Wer diese Wortreihe nicht kryptisch, politisch inkorrekt oder unverständlich findet, bei dem, tja, geht einiges. Das Stichwort lautet dabei: Fachjargon. Sach ich jezz ma. Sagen die.

Hinterm Horizont, in der großen weiten Welt sind tonträge Jungen und Mädchen weiterhin unten mit ihren wortreichen Helden. Unten mit norddeutschsprachigen Hip-Hop-Schätzen, die im Silbensee obenauf schwimmen. Eine anhaltend steife, oder besser: lockere Brise wohlfeilen Erfolges weht so unterschiedliche Acts wie Dynamite Deluxe, Absolute Beginner, Eins Zwo oder Fünf Sterne Deluxe weiter an neue musikalische Ufer. Ja, ja, deine Mudder!

Natürlich ist die Klammer „norddeutscher HipHop“ so grob wie die Pauschalreisen in Schubladen der Reisebüros. Na und? Seid doch mal ehrlich: Ihr hebt eure Klamotten doch auch nicht in Plastiktüten auf. Nordsee ist Wortsee, dabei bleibt es. Auch wenn die Burschen, wie im Falle des Deichkind-Trios eigentlich nur aus Hamburg-Bergedorf kommen.

Deichkind sind très lecker breit maulende Reimkarpfen: Buddy, Malte und Philipp. Verstärkt wird das Ensemble von Sebastian, der als quasi viertes Mitglied im Tonofenstudio half, den, Shit für Deichkinds Debüt Bitte ziehen sie durch tight zu machen. Neben der in die Charts durchgestarteten, allerorts rockenden Single „Bon Voyage“ überzeugen auch die restlichen 18 Tracks und Skits der Platte: mit Witzen, die nicht immer aus Kalau stammen und HipHop, der ohne überflüssiges Posen funktioniert.

Okay, natürlich ist „Bon Voyage“ auch deshalb so geil, weil Nina MC, die heiß ersehnte Hamburger Alternative zu Sabrina Setlur, den heliumverdächtigen Refrain droppt. Das solide Liedgut des Bergedorfer Trios kommt mit wenigen Gastauftritten aus. Wenn sie jemand ans Mikro lassen, dann muss es vom Feinsten sein wie Dendemann von Eins, Zwo oder Don Dougie von den Steilshooper HipHop-Urvätern Easy Business. Unangestrengte, intelligente Attitude trifft arschtretende Beats und subtil boomende Bässe.

Ein Ja, Es geht voran. Ja, Malte ist Multiinstrumentalist, Vater von Zwillingen und treibende musikalische Kraft. Ja, Philipp hat „politische Bücher“ (was auch immer das sein mag) gelesen. Ja, Buddy liebt Vinyl. Ja, ihr Label Showdown keept den Underground real. Ja, sie haben in dieser Woche ihr heimspiel in Hamburg. Ja, Nina ist auch dabei. Und auch wer spaßmüde ist und keine inszenierten Straßenhörspiele mehr hören will und HipHop live sowieso ein ganz anderer Schuh ist, bleibt das Deichkind fett. Fetter als homophobe Schimmelreiter wie Plattenpups Jöak allemal. Bitte ziehen sie mit. Ole Wagner

mit Das Bo und Hamburger Hill, Donnerstag, 21 Uhr, Fabrik

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen