nahost-gipfel: Eine fast einmalige Chance
Vorhersagbar ist nichts, wahrscheinlich ist alles. Und das hat einen einfachen Grund. Die Zeit der Entscheidungen ist gekommen. Sieben Jahre nach der Unterzeichnung des Oslo-Abkommens haben Israelis und Palästinenser das Ende der verhandlungspolitischen Fahnenstange erreicht. Offensichtlich bedarf es eines Anstoßes von außen, als zukunftsträchtig erkannte Kompromisse zu formulieren und sie durchzusetzen – auch gegen Teile der eigenen Bevölkerung.
Kommentarvon GEORG BALTISSEN
Daher war es richtig von US-Präsident Bill Clinton, die nahöstlichen Kontrahenten zur Klausur nach Camp David einzuladen, obwohl ein Verhandlungserfolg nicht garantiert war. Schließlich herrscht in Israel Koalitionswirrwarr, und die Palästinenser befürchten, bei Verhandlungen unter US-Ägide über den Tisch gezogen zu werden.
Keine Frage: Ohne eine regierungsfähige Mehrheit im Rücken ist die Position des israelischen Regierungschefs Ehud Barak bei den Verhandlungen in Camp David geschwächt. Und notwendige Kompromisse bei der Rückgabe von Territorien an die Palästinenser, der Auflösung von Siedlungen und insbesondere bei der Teilung der politischen Gewalt in Jerusalem erscheinen fraglich. Skepsis ist also durchaus angebracht.
Doch könnte gerade Baraks politische Bedrängnis zu Hause auch eine Chance sein. Um sich zu befreien, könnte er das bisher Undenkbare wahr machen und in den kommenden Wochen einen echten Kompromiss mit den Palästinensern aushandeln. Ein Rahmenabkommen, das den Palästinensern die gewünschte Staatlichkeit und den Israelis ein Ende des arabisch-israelischen Konflikts beschert. Dazu müsste wiederum Palästinenserchef Jassir Arafat in der Jerusalem-Frage und bei der Zukunft der israelischen Siedlungen bittere Zugeständnisse machen. Noch können beide Regierungschefs sicher sein, dass eine Mehrheit in beiden Bevölkerungsgruppen solche Kompromisse tragen würde.
Beide Seiten wissen, dass Camp David die einmalige Chance bietet, beiden Völkern die Rechte und die Sicherheit zu geben, die ihnen zustehen. Beide Seiten werden deshalb bemüht sein, ein Scheitern des Treffens zu vermeiden. Und Clinton wird um der Geschichtsbücher willen das Seine dazu beitragen. Das macht die Erfolgsaussicht dieses Gipfeltreffens aus.
Politische Prophetie ist ein waghalsiges Unterfangen im Nahen Osten. Aber die Sehnsucht nach Frieden bietet jetzt die Chance, die es zu nutzen gilt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen