: Ein Smalltalker fürs große Kino
Der neue Berlinale-Chef Dieter Kosslick darf jetzt im Auftrag des Bundes tun, was er so gerne tut: international repräsentieren, und das nächtelangvon STEFFEN GRIMBERG
Nicht alle lieben Dieter. Nicht mal in Nordrhein-Westfalen. Die einen nicht, weil er ihre ehrgeizigen Pläne für eine Film- und Medienhochschule am Rhein für Erste ausbremste. Die anderen nicht, weil ihnen der bisherige Chef der reichsten deutschen Filmförderanstalt immer in gleich zwei Angelegenheiten weit voraus war: Geld und Charisma.
Seit gestern darf Dieter Kosslick offiziell sagen, was schon im Februar während der Berlinale beinahe aus ihm herausplatzte: Er leitet ab 2002 Deutschlands wichtigstes Filmfestival. Um den seit 1992 amtierenden Geschäftsführer der Filmstiftung Nordrhein-Westfalen an die Spree zu holen, dürfte die Berlinale bzw. die eben erst vom Bund übernommene Berliner Festspiel GmbH als Veranstalter um einiges tiefer in die Tasche greifen als für seinen langjährigen Vorgänger Moritz de Hadeln: Mit zuletzt immerhin einer halben Million Mark Jahressalär, so Insider, versuchte die NRW-Landesregierung ihren obersten Filmförderer zum Verbleib in Düsseldorf zu animieren. Für öffentliche Institutionen außerhalb der Politbeamten-Nomenklatura ein hübsches Sümmchen. Ganz so viel dürfte es bei der Berlinale zwar auch für einen Dieter Kosslick nicht geben. Dafür bekommt der bekennende Selbstdarsteller ein internationales Parkett, das doch ein wenig mehr Glamour verspricht als das Medienforum Nordrhein-Westfalen, Schauplatz des alljährlichen Filmstiftungs-Filmkongresses.
Als „großen Kommunikator“ hat Kulturstaatsminister Michael Naumann „seinen“ Kandidaten stets angepriesen. Zu Recht: Im Branchen-Smalltalk ist Kosslick nicht nur perfekt – den beherrschen auch andere –, er macht ihm auch noch Spaß, genau wie das internationale Repräsentieren und das nächtelange Socialising in Cannes und anderswo. So viel „Beinarbeit“ wiederum stimmt die Künstler- und Ästhetenfraktion unter Deuschlands Filmschaffenden misstrauisch, macht jedoch den Erfolg des Systems Kosslick aus. „Ich kenne eben jeden wichtigen Produzenten und Regisseur“, sagt der schon mal leichthin – und meint ganz bescheiden die Welt.
Schon in Hamburg hat er seinerzeit kommunikativ geglänzt und sich politisch geschickt verortet: Als Büroleiter schrieb er ab 1979 dem damaligen Ersten Bürgermeister Hans-Ulrich Klose die Reden und setzte sich als Pressesprecher der „Leitstelle für die Gleichstellung der Frau“ an die Spitze einer nicht nur für nordische SPD-Verhältnisse modernen Bewegung: Nicht ganz mehr 68er, sondern technokratischer sowie voll, ganz und gern etabliert, aber eben doch irgendwo noch links. Das System Kosslick eben, schließlich stand sein Name auch anderthalb Jahre, von 1982 bis 1984, im Impressum von Konkret.
Im Filmgeschäft ist der Schwabe aus Pforzheim, wo man als guter Sohn der Stadt eigentlich in die Möbelbranche geht, seitdem er ab 1983 die Filmförderung in der Hansestadt umkrempelte: Zum unter kultureller Flagge segelnden Hamburger Filmbüro gesellte sich ein paar Jahre später die Wirtschaftsförderung per Film Fonds Hamburg, um diesem in Deutschland ohne Subventionen schwer denkbaren Teil der Kulturindustrie auf die Beine zu helfen.
Spätestens in Hamburg traf der studierte Pädagoge auch auf zwei Menschen, denen er jetzt in Berlin nicht ganz zufällig wieder begegnet: Christoph Terhechte und Knut Nevermann. Mit Terhechte, der ab 2002 das Berlinale-Forum leiten wird, hob Kosslick das Europäische Low Budget Forum im Kino auf der Alster aus der Taufe. Auf diese „alte Hamburger Connection“ (Kosslick) darf getrost gebaut werden. Und Nevermann, von 1988 bis 1997 als Staatsrat der Hamburger Kulturbehörde für die Fördertöpfe zuständig, präsidierte gestern bei der Festspiel-Pressekonferenz für den urlaubenden Staatsminister höchstselbst. Der Branche gilt ohnehin er als die eigentlich steuernde Figur beim in Angelegenheiten von Film und Fernsehen noch nicht ganz sattelfesten früheren Verleger Naumann. Sein Anteil am Rausschmiss von de Hadeln und der Loseisung Kosslicks in NRW dürfte umfänglich gewesen sein.
Kosslicks Düsseldorfer Filmstiftungsbilanz jedenfalls lässt sich sehen: Seitdem der Krimileser und Hobbykoch 1992 zum assimilierten Rheinländer wurde, förderte die vom Land NRW, WDR und ZDF getragene Filmstiftung Jim Jarmuschs „Dead Man“ und vor allem deutsche Kassenschlager wie „Knockin’ on Heaven’s Door“, „Lola rennt“ und Regiehelden wie Lars von Trier und Tom Tykwer. Beinahe in jedem hierzulande gedrehten Film steckt Geld aus dem rund 50 Millionen Mark starken Düsseldorfer Fördersack. Und Kosslick war neben dem zweiten Kölner Dieter (Viva-Erfinder Gorny) treuer Botschafter des Medienstandorts NRW. Mit Charme, Lässigkeit und schwäbelndem Englisch vertrat er das Bindestrichland in der Sonne von Cannes genauso souverän wie in den nicht ganz so nahen Filmmärkten Koreas und Chinas.
Ein Ziel hat allerdings auch Kosslick nicht erreicht: Zwar spült die Filmförderung reichlich Geld ins Land zurück, weil das Anderthalbfache der Fördersumme in NRW ausgegeben werden muss. Aber es bleibt beim Ausgeben. Die erhoffte stabile Filmproduktionslandschaft, die den Medienstandort NRW noch einmal kräftig aufwerten und größer als die traditionelle Konkurrenz in München und Berlin machen sollte, fand nicht statt. Und jetzt geht Kosslick selbst – ausgerechnet nach Berlin. Zu seinem Konzept für die reformierte Berlinale will er sich aber erst im Mai 2001 äußern. Nur so viel verrät der Sympath mit dem Schnauz schon jetzt: „Ich weiß schon ganz schön viel. Und im Mai werde ich noch mehr wissen.“
Zitat:KOSSLICK SELBSTBEWUSST„Ich weiß schon ganz schön viel. Und im Mai werde ich noch mehr wissen.“
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