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HipHop mit Frau Doktor

Die Friedrich-Ebert-Stiftung lud Bundesministerin Christine Bergmann und Jugendvertreter zur Diskussion über Young Vision. Doch hinter allzu viel Konsens auf dem Podium verschwand das Thema

von MANUEL RIVERA

Beschweren konnte sich keiner. Nicht die Gourmets, denen Schinkenspieße, gefüllte Croissants und Rotwein geboten wurden. Nicht die Architektur-Ästheten, die in den Genuss des modern getäfelten Konferenzsaal der Friedrich-Ebert-Stiftung kamen. Und passionierte Hairstylisten wurden mit den sechs verschiedenen Haarfarben der Podiumsteilnehmer beglückt.

Schade nur, dass denen nicht ein paar mehr Verbal-Farben entlockt wurden. Dann wären am Montag abend vielleicht auch inhaltlich Neugierige auf ihre Kosten gekommen. Am tapfer-wendigen Moderator Ansa Seidenstücker vom Radio Fritz lag es nicht, dass die Diskussion, unter dem Titel „Young Live – Young Vision“ so hoffnungslos verplätscherte. Auch nicht am zu vier Fünfteln wirklich jungen Publikum. Dem gelang es sogar,den im Untertitel des Events dräuende Beamtenjargon „Junge Lebensplanung aktuell“ einzudämmen. Ausrutscher der geladenen Jugendministerin „Frau Doktor“ Christine Bergmann (SPD) blieben aber nicht aus.

Die ließ sich hinreißen, sie unterstütze vorbehaltlos die von Geraldine Hohn auf dem Podium verfochtene Forderung der BundesschülerInnenvertretung nach einer Stimme im Reformausschuss „Forum Bildung“. Da gab es dann genauso viel Einhelligkeit im Saal wie bei der Feststellung, es ginge in einem Staat mit Pressefreiheit nicht an, dass Schuldirektoren ihnen unbequeme Schülerzeitungen zensierten oder gar verböten.

Ansonsten galt für die Runde eher, was die Ministerin einer Fragenden am Beispiel Jugendarbeitslosigkeit zu erklären versuchte: Wo viel Konsens ist, da verschwindet das Thema. Dissonant und „spannend“, so ein Lieblingswort der linksaußen auf dem Podium plazierten SPD-Youngsters Kerstin Griese, wurde es höchstens, als ein paar Fundis auf das von Bundeskanzler Schröder abgewiegelte Wahlversprechen der Umlagefinanzierung von Ausbildungsplätzen pochten.

Ahnungsvolles Hintergrundrauschen hingegen blieben die vom Jugendrat Reinickendorf und von den „KinderRÄchTsZÄnkern“ aufgeworfenen Fragen nach dem Sinn der Begrenzung des Wahlrechts und nach Bildungskriterien zur Förderung politischer Mündigkeit. Unerörtert auch, über das Internet-Hin-und-Her hinaus, was die vielfach beschworene „Medienkompetenz“ der Jugendlichen denn so alles meinen könnte.

Beispiele und Anschaulichkeit machten sich rar in diesen zwei Stunden, die von der Ebert-Stiftung mit den Themenschwerpunkten „Demokratische Schule“, „Lebensformen im Umbruch“ und „Politische Autonomie junger Menschen“ allzu schwer beladen worden waren. Da sprang man doch willig auf, als die „spaceshuttlemäßig erfolgreichen Rookies“ den Rausschmeißer machten. Der immerhin schon mehrfachen Großmutter Christine Bergmann muss zugute gehalten, dass sie das „You are my sunshine“-GehipHoppe der beiden ertrug.

Der Autor ist Mitarbeiter der Jugendnachrichtenagentur Sinnflut

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