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Präsident als Pressefeind

Russlands Regierungschef Wladimir Putin bekennt sich gern zur Freiheit der Medien – und lässt seine Minister und Staatsanwälte gleichzeitig gegen den unabhängigen Journalismus zu Felde ziehen

von BARBARA KERNECK

Gestern gab Russlands Erzoligarch und Medienmagnat Boris Beresowski demonstrativ sein Deputiertenkärtchen ab und verzichtete auf den Abgeordnetenstatus und die damit verbundene Immunität vor Strafverfolgung. Die hätte ihm im Ernstfall allerdings ohnehin wenig genutzt, da seine Abgeordnetenkollegen sowieso mehr als bereit waren, den unpopulärsten Mann Russlands per Abstimmung dieses Schutzes zu berauben.

Dass er ihnen jetzt zuvorkam, erklärte der Tycoon unter anderem mit dem Vorgehen der Staatsanwaltschaft und der Steuerpolizei, die gerade aggressiv Häuser und Büros einer ganzen Reihe einflussreicher russischer Finanziers durchsucht. Besonders habe ihn das gleichzeitige Vorgehen gegen seinen Konkurrenten, den Medienunternehmer Wladimir Gusinski empört, behauptet Beresowski und kündigt im selben Atemzug an, die von ihm kontrollierten Medienunternehmen zu einer einzigen Holding zusammenschmieden zu wollen.

Das Paket kann sich sehen lassen: Zum halbstaatlichen Fernsehsender ORT kämen so das private TV 6 sowie die Tageszeitungen Novye Iswestija und Kommersant. Durch den Zusammenschluss will sich Beresowski offensichtlich für den Tag wappnen, an dem die Staatsanwälte auch an seine Tür klopfen. Denn der Finanzier profiliert sich klar als Opponent Nr. 1 gegen eine von Präsident Wladimir Putin geplante Umstrukturierung des Föderationsrates, die die Macht der Provinzgouverneure beschränken würde.

Journalist ermordet

Zur gleichen Zeit, als Beresowski am Dienstag den gestern vollzogenene Rücktritt ankündigte, verblutete im Treppenhaus vor seiner Wohnung der Journalist Igor Domnikow, Redaktionsmitglied der unabhängigen Wochenzeitung Nowaja Gaseta.

Domnikow, der mit einem Hammer erschlagen wurde, hatte schon vor Jahren Drohungen erhalten, als er in der Nickel-Metropole Norilsk über die Schweinereien bei der dortigen Unternehmensprivatisierung schrieb. Sein Schicksal wirft ein Schlaglicht auf die plumpe Verflechtung von Presse, Politik, Wirtschaft und Kriminalität in Putins Russland.

Die amtierende Regierung verstärkt diese Tendenz eher noch: Repräsentanten von sechs internationalen Organisationen zum Schutz der Pressefreiheit erklärten vor einer Woche während eines Russlandtrips offiziell, dass der Staat „eine beträchtliche Gefahr für die unabhängigen Medien darstellt“. Besonders kritisiert wurde das Vorgehen der Behörden gegen die Medienholding Media-Most und ihren Generaldirektor Wladimir Gusinski. Zur Media-Most gehören der regierungskritische Privatsender NTV und eine ganze Reihe unabhängiger Zeitungen.

Die amtlichen Schläge gegen Media-Most erfolgen seit Mai – stets jeweils zur Monatsmitte. Und kaum jemand in Russland kann sich vorstellen, dass die Staatsanwälte ohne Putins Zustimmung handeln.

Doch beim Präsidenten wechseln sich Lippenbekenntnisse zur Pressefreiheit und schwülstige Definitionen eines „guten und erlaubten Journalismus“ ab, die gerade beim Tschetschenienkrieg zum Tragen kommen: Putin und seine Berater sprechen von einem „Informationskrieg“, den man führe, und davon, dass manche Journalisten in diesem Krieg ihr Vaterland verrieten.

Presserichtlinien

Voll in dieses Bild passt auch ein russisches Richtlinienpapier, das Mitte Juni bei einer europäischen Medienkonferenz in Krakau auftauchte – gespickt mit Termini wie „internationale Informationsverbrechen“.

Der dort anwesende russische Presseminister Michail Lesin wollte es zwar nicht kennen, doch laut Mitarbeitern des Europarates wurde das Dokument definitiv von der russischen Delegation beigesteuert. Lesin hat außerdem im Parlament einen Gesetzentwurf eingebracht, der Journalisten ihres Zeugnisverweigerungsrechts berauben soll.

Nicht zuletzt für dieses Vorhaben erhielten Lesin und mit ihm Generalstaatsanwalt Ustinow sowie Präsident Putin Anfang Juni den Titel „Feind der russischen Presse“ vom „Zentrum für Journalismus in Extremsituationen“, einer Unterorganisation des Russischen Journalistenverbandes.

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