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Sail away Windenergie

■ Erste deutsche Offshore-Windkraftanlage wird ab Herbst vor Borkum erprobt / Bedenken der Insel und Umweltgruppen wegen Vögeln und Touris

er Traum von einer alternativen sauberen Energie soll jetzt in der Nordsee in Erfüllung gehen. Nachdem Windkraftanlagen an Land bei Naturschützern in Verruf gekommen sind: zu teuer, zu landschaftzerstörend, zu unökonomisch, sind die Planer jetzt aufs weite Meer geflüchtet. Das ostfriesische Energiesysteme Unternehmen Prokon hat alle Planungsunterlagen für die erste deutsche Offshore-Anlage vorgelegt. Das bundesweite Beteiligungsverfahren vor der Hamburger Bundesanstalt für Seeschifffahrt und Hydrographie ist abgeschlossen. Niemand erwartet einen negativen Bescheid, zumal einige Umweltschutzverbände schon ihre positive Einstellung zum Bau einer Pilotanlage und den umfassenden Begleituntersuchungen signalisiert haben.

„Wir gehen davon aus, dass wir mit dem Bau einer Pilotanlage und dem umfangreichen Monitoring in diesem Herbst beginnen können“, sagte ein Prokon-Sprecher der taz. Die Pilotanlage von zunächst zwölf Windmühlen der vier bis fünf Megawatt-Klasse soll die Auswirkungen von Bau und Betrieb der Anlage auf die Flora und Fauna der Nordsee testen. Die Ergebnisse werden dann Grundlage für Genehmigung oder Ablehnung der gesamten Anlage sein. Die soll nach bisherigen Kalkulationen 100 bis 200 Windmühlen mit einer installierten Energieleistung von 1.000 Megawatt umfassen. Dies wäre ein mehrfaches an Leistung, die der derzeit größte Windpark Europas bei Emden bringen soll. Windmühlen mit der Vier- bis Fünfmegawattklasse sind zurzeit nicht in Betrieb, sie befinden sich noch in der Entwicklungsphase.

Die über 150 Meter hohen Giganten werden sich dann gut 45 Kilometer vor Borkum drehen – außerhalb der 12-Meilenzone, für die der Bund zuständig ist. Dort ist das Wasser etwa 30 Meter tief. Annähernd vergleichbare Anlagen rotieren bereits vor Dänemark. Der Investitionsrahmen allein für die Pilotanlage wird von Prokon mit 150 bis 200 Millionen Mark angegeben. Für den endgültigen Ausbau liegen noch keine abschließenden Kalkulationen vor. Auf jeden Fall müssen mehrere Milliarden Mark in Entwicklung, Bau und Betrieb des Projektes fließen. Bislang betreibt oder plant Prokon kleinere Windparks an Land in Nord- und Mitteldeutschland.

Obwohl die Landesregierung Niedersachses und Umweltschutzverbände überwiegend positiv auf den Bau einer Pilotanlage reagiert hatten, war es im Vorfeld des Beteiligungsverfahrens zu überraschenden Allianzen gekommen. Die Stadtverwaltung Borkum sprach sich gegen eine Offshore-Anlage vor der Insel aus. Hier machte sich vor allen Dingen Andreas Kaib stark gegen die Windschleudern. Sein Argument: Die Hohlstahlgiganten würden den Urlaubern den romantischen Blick auf den Horizont verstellen. Unterstützt wurde Kaib vom WWF Bremen. In Sachen Nationalpark Wattenmeer sind sich beide spinnefeind. Kaib gilt als ein radikaler Gegner jeglicher Erweiterung des Nationalparkes. Als eine Konsequenz der Borkumer Verstimmung, verlegte Prokon noch einmal das Planungsfeld der Pilotanlage: „Die Sonne wird auf jeden Fall weiter ungetrübt hinter Borkum untergehen“, meinte Prokon-Biologe Freerk Nanninga .

Andere Bedenken müssen durch ein umfangreiches Monitoring noch ausgeschlossen werden. „In der Bauphase sind erhebliche Beeinträchtigungen der Fauna zu erwarten, das Landschaftsbild an der Küste wird sich stark verändern, denn es müssen neue Hochspannungsleitungen installiert werden, insgesamt werden die Zugwege der Vögel durch den Bau der Mühlen versperrt“, meint der Sprecher der regionalen Konferenz der Umwelt- und Naturschutzverbände Ost-Friesland, Manfred Knake.

Ob die Pilotanlage und der zukünftige Windpark eine Gefährdung für den Schiffsverkehr darstellen und ob die Anlage Auswirkungen auf die militärisch genutzten Tieffluggebiete in der Nordsee haben, muss ebenfalls noch geprüft werden. Thomas Schumacher

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