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Alles für das Spektakel

Mit neuen Präsidenten bereiten sich Real Madrid und FC Barcelona auf die neue Saison vor, in der unbedingt verhindert werden soll, dass wieder jemand wie Deportivo La Coruña Meister wird

aus Madrid REINER WANDLER

Nur wer Spektakel garantiert, kann im Fußball bestehen. Das gilt um so mehr, wenn es um die „Liga de las Estrellas“ – die Liga der Stars – geht. Ein Fehltritt reicht in der spanischen Primera División, und die Fans – oder schlimmer noch die Clubmitglieder – werden unzufrieden. Das musste der Präsident des FC Barcelona, Josep Lluis Núñez, nach 22 Jahren einsehen. Er trat nach einer katastrophalen Saison 1999/2000 zurück, die mit der Meisterschaft für Deportivo La Coruña zu Ende ging. Da halfen auch die 27 Titel seiner Ära nichts. Nachfolger ist seit seinem Wahlsieg am Wochenende die ewige Nummer zwei der Blau-Roten, Joan Gaspart.

Dem Präsidenten beim Erzgegner Real Madrid, Lorenzo Sanz, erging es nicht viel besser. Trotz zweier Europapokale in seiner nur fünfjährigen Amtszeit wählten ihn die Mitglieder ab. Sein Kontrahent Florentino Pérez gewann an den Urnen. Warum er gehen musste, dazu hat Sanz eine aufschlussreiche Anekdote parat: „Als mir ein Freund erzählte, dass er Florentino wählen würde sagte ich ihm: ‚Aber ich habe doch den siebten und achten Europapokal für Real Madrid gewonnen.‘ – ‚Die haben wir schon‘, erhielt ich zur Antwort, ‚aber Figo und Zidane nicht.‘ Damit ist alles gesagt.“ Pérez, einer der größten Bauunternehmer Spaniens, unterzeichnete bereits im Wahlkampf einen Vorvertrag mit dem portugiesischen Starspieler Luis Figo.

Wie so viele hatte auch Figo mit dem Sieg von Pérez nicht gerechnet. Was für den herausragenden Spieler der Europameisterschaft nur ein Schachzug war, um bei seinem Club FC Barcelona die Bezüge zu erhöhen, missglückte, als Pérez ins Präsidentenbüro einzog. Entweder eine millionenschwere Vertragsstrafe begleichen oder das Trikot wechseln, lauteten die Alternativen. Figo entschied sich Anfang der Woche für Letzteres. Er soll jetzt Starstürmer Raúl zur Seite stehen. Trainer Vicente del Bosque will den Portugiesen rechts außen einsetzen. Dort hinkte das Spiel der Weißen bisher. Sie kamen meist über links oder durch die Mitte und wurden somit zu berechenbar. Auch der noch von Sanz für 25 Millionen Mark gekaufte spanische Nationalstürmer Pedro Munitis von Racing Santander leistet hier keine Abhilfe.

Doch die geschlossene Lücke im Sturm reißt ein Loch in die Finanzen. Der Transfer des Portugiesen, der noch bis 2004 bei Barcelona unter Vertrag stand, treibt den mit einer halben Milliarde Mark verschuldeten Club an den Rand des Ruins, auch wenn der Verkauf von Nicolas Anelka für finanzielle Linderung sorgt. Der französische Nationalspieler, der Real nichts als Probleme brachte, geht für 65 Millionen Mark zu Paris Saint-Germain. 120 Millionen Mark – 32-mal so viel, wie einst Barcelona bezahlte – kostet jedoch Figo, der damit zum teuersten Spieler der Welt avanciert. Hinzu kommen jährlich 38 Millionen Mark an Honorar. Um dies zu bezahlen, gründete Real Madrid eigens eine Figo-Verwertungsgesellschaft. Sie hält die Rechte an Bild und Werbung des Spielers.

Das Modell soll künftig auch bei anderen Stars Anwendung finden. Pérez will einen Schlussstrich unter die Misswirtschaft seiner Vorgänger ziehen, die bereits jetzt die Einnahmen aus den Fernsehrechten bis zum Jahr 2009 zum Großteil verplant haben. „Wenn ich gehe, hinterlasse ich den Club schuldenfrei“, lautete eines seiner Wahlkampfversprechen.

Trotz des teuren Figo-Kaufs schaut Pérez sich aber weiter um. Während der Argentinier Redondo schon bald beim AC Mailand spielen könnte, wecken beim italienischen Club Spieler wie der Deutsche Oliver Bierhoff oder der Ukrainer Andrej Schewtschenko Kaufgelüste bei Pérez.

Ganz oben auf der Wunschliste steht aber Zinedine Zidane. Der Motor der französischen Europameisterelf ist der umworbenste Spieler für die spanische Liga. Auch Barcelona-Präsident Joan Gaspart möchte mit ihm gerne den seinen Amtsantritt überschattenden Verlust Figos, dem der neue Barça-Chef „zutiefst unmoralisches Verhalten“ vorwarf, wett machen. Das Geld dazu wäre da. Denn anders als Real Madrid ist der FC Barcelona finanziell weitgehend gesund. Bereits in den nächsten Tagen sollen mit Emmanuel Petit und Marc Overmas, beide bei Arsenal, zwei europäische Starspieler ins Camp Nou wechseln. Und die einstige Entdeckung der Blau-Roten, Ivan de la Peña, kehrt nach mehreren Jahren bei Lazio Rom nach Barcelona zurück.

Mit oder ohne neue Stars, der clubeigene Trainer Lorenç Serra Ferrer, der die Mannschaft übernahm, nachdem der Holländer Louis van Gaal vor der Sommerpause ging, hat keine leichte Arbeit vor sich. An guten Spieler fehlte es mit den Brüdern de Boer, Figo, Rivaldo oder Kluivert auch im letzten Jahr nicht, trotzdem steckten die Blau-Roten eine schmerzhafte Niederlage nach der andern ein. Paradoxerweise warb Gaspart im Wahlkampf für Kontinuität.

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