: Arbeitskampf bei gleicher Qualifikation
■ ... kann hart werden / Die Querelen um einen Chefarzt-Posten im Bremerhavener ZKH Reinkenheide nehmen kein Ende / Personalvertretung legt gegen den neuen Chef ihr Veto ein
Dass die Belegschaft den Chef nicht mag, geschieht häufiger. Selten geht der Widerstand so weit wie derzeit im Bremerhavener Zentralkrankenhaus (ZKH) Reinkenheide. Dort hat jetzt die Personalvertretung ein Veto gegen die Einstellung des neuen Chefarztes des Instituts für Laboratoriums- und Transfusionsmedizin eingelegt. Während die Chefarztkonferenz der Klinik die Beförderung des bisherigen Oberarztes im Haus begrüßte, hält der Personalrat den 43-Jährigen für Führungsaufgaben nicht geeignet; der Betroffene war gestern für eine Stellungsnahme nicht zu erreichen. Nach dem Veto des Personalrats muss über die Stellenbesetzung jetzt vor einer Einigungsstelle verhandelt werden.
„Ich gehe davon aus, dass eine Entscheidung im August fallen wird“, kommentiert der Verwaltungsdirektor des ZKH Reinkenheide, Holger Richter, die Vorgänge. Das Schlichtungsgremium, dem neben dem noch unbenannten Schlichter auch Vertreter aus der Politik und der Klinik angehören, könnte sogar eine weitere Neuausschreibung des lange umkämpften Postens beschließen.
Hintergrund der Intervention der BelegschaftsvertreterInnen sind offenbar die mehrmonatigen, teilweise erbitterten Auseinandersetzungen um die Besetzung der Chefarzt-Stelle im Bereich der Laboratoriums- und Transfusionsmedizin. Aktiv beteiligt war daran auch der jetzt berufene neue Chef, Dr. Klaus Hartung. Dass der Internist, der seit Jahren als Oberarzt am ZKH Reinkenheide tätig ist, in der ersten Ausschreibungsrunde in eigener Sache gegen seine Ablehnung für Platz eins vors Arbeitsgericht zog, haben ihm manche übel genommen. Mehr noch aber, dass vor Gericht Interna aus dem Bewerbungsverfahren und den Bewerbungsunterlagen der vom Krankenhausausschuss favorisierten auswärtigen Bewerberin zur Sprache kamen. Gerade in Leitungsfunktionen komme es auf Integrität, Loyalität und Führungsqualitäten an, begründen denn auch die Personalvertreter ihr Veto gegenüber der Direktion. Die hat inzwischen auf eine Rüge des Datenschützers reagiert und den Ablauf von Bewerbungsverfahren umorganisiert, um Informationslecks, vertrauliche Daten betreffend, zu stopfen.
Möglich wurde die Stellenbesetzung durch den jetzt vom Personalrat abgelehnten Chefarzt erst, nachdem die ursprüngliche Favoritin im Dezember ihre noch gar nicht angetretene Stelle selbst kündigte. Das Vertrauensverhältnis sei zerstört, begründete die 34-Jährige ihren Schritt. „Die ist gemobbt worden“, sagen BeobachterInnen wie der Grüne Bremerhavener Stadtverordnete Hans-Richard Wenzel. Auch in der Spitze der Krankenhausverwaltung geht man davon aus, dass Veröffentlichungen in der deutschen Ärztezeitschrift „Hospital Tribune“ die Absage der Medizinerin beförderten. Schlagzeilen wie „Arzt klagt gegen Diskriminierung“ seien geeignet gewesen, die Fachfrau zu schädigen. Unterdessen klagt die Frauenbeauftragte der Klinik, Renate Sindt, dass die Personalentscheidung des Krankenhausaussschusses durch Fragen wie: „Müssen Ärzte jetzt für ihre Emanzipation als Mann am Arbeitsplatz kämpfen?“ falsch polarisiert worden sei.
Die Debatte um die vermeintliche Bevorzugung einer Frau hatte jedoch dadurch Nahrung erhalten, dass die 34-Jährige einen Facharzt-Nachweis für Labormedizin – anders als der jetzige Chefarzt – nicht vorweisen konnte. Dennoch hatten die fachlichen Qualifikationen der Medizinerin dem Krankenhausausschuss genug imponiert, um ihr einen um ein Jahr verzögerten Dienstantritt zu ermöglichen. In dieser Zeit sollte die habilitierte Medizinerin diese – ihre dritte Facharztprüfung – ablegen.
„Menschlich habe ich die Entscheidung der Ärztin damals verstanden, fachlich bedauere ich sie – für Bremerhaven“, blickt die Frauenbeauftragte der Klinik auf die Auseinandersetzungen zurück. Bei den gegenwärtigen Querelen ist sie außen vor. „Denn leider hat sich nach den Vorfällen in der zweiten Ausschreibung keine kompente Frau mehr beworben.“ Sie fürchtet, dass Vorfälle wie in Bremerhaven „schlimme Signale in Richtung Frauenförderung“ gewesen sind. „Aber ich lehne jede Diffamierungskampagne ab, egal ob für eine männliche oder weibliche Person.“
ede
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