: Und Buddha bestraft den Affenkönig
Ein Tisch, zwei Stühle, maximal zwei Darsteller, zwanzig Minuten Spielzeit und reizend klappernde Essstäbchen: Das Theaterprojekt „One Table Two Chairs“ im Rahmen des „Festival of Vision“ im Haus der Kulturen der Welt
Der Bambuspavillon, den der Hongkonger Architekt Rocco Yim in den Spiegelteich vor dem Haus der Kulturen der Welt gebaut hat, strahlt einen Hauch von Expo 2000 aus. Wie aus überdimensionalen Mikadostäben zusammengesteckt, schwebt die Bambuskonstruktion über dem Wasser. Aus verschiedenen Blickwinkeln sieht sie immer verschieden aus. Mal wie ein archaisches Schiff, aus dem in ganz symmetrischen Linien Ruder herausragen. Manchmal wie eine thailändische Hütte. Oder wie ein Meisterstück dekonstruktivistischer Architektur. Den Theatervorstellungen, die dort im Rahmen des Städtedialogs Hong Kong - Berlin, dem „Festival of Vision“ stattfinden, wünscht man schon beim Betreten dieses Ortes, dass sie mit der Faszinationskraft dieses luftigen Theaters mithalten können.
Als 1997 Hongkong an China zurückgegeben wurde, gründete Danny Yung, Künstler und Direktor des Hong Kong Institute for Contemporary Arts and Culture, das Projekt „One Table Two Chairs“. Er griff damit ein Grundmotiv der Pekingoper auf, wo mit „Ein Tisch Zwei Stühle“ eine Ursituation von Theater gemeint ist.
Der Name des Projekts bezieht sich aber auch auf die politische Lage des kapitalistischen Hongkong im kommunistischen China, das den Widerspruch mit der Floskel „One Country Two Systems“ zu lösen versuchte. Aus „1T2C“ entstand ein asiatisches Künstlernetzwerk: Yung lud Schauspieler, Tänzer und Performancekünstler aus ganz Asien ein, daran teilzunehmen. Einzige Vorgaben: ein Tisch, zwei Stühle, maximal zwei Darsteller und 20 Minuten Spielzeit. Jetzt wurden auch deutsche Künstler an das Projekt angedockt.
Mit einem „szenisch-konzertanten Duell“ beginnen die Performance-Künstlerinnen Anne-Christine Rommen und Rilo Chmielorz. Zwei Damen in Rot sitzen an einem Tisch auf zwei japanischen Hockern und malträtieren mit Topfwolle ein steinernes Sushi-Board. Mikrofone darunter verstärken das Geräusch über Lautsprecher, und so entsteht ein lustiges Perkussionsspektakel, das man leicht auch als Kommentar der Künstlerinnen zu ihrem Verhältnis zur deutschen Kultur deuten könnte. Denn der Topfwolle folgt irgendwann der Schnitzelhammer, wenig später der Kopf einer Spülbürste, die allesamt eher martialische Geräusche auf dem kunstvollen asiatischen Tischmobiliar verursachen. Wie elegant klappern dagegen die Essstäbchen, wie leichtfüßig stelzen sie über das Tischchen dahin.
In der Choreografie von Thomas Lehmen trafen drei Tänzer aus verschiedenen Ländern aufeinander, die jeder für sich geprobt und sich nur übers Internet miteinander ausgetauscht hatten. So steht es zumindest in der Presseinformation des Festivals. Sie kamen gänzlich ohne Tisch und Stühle und lösten die Vorgabe personell: eine Tänzerin, zwei Tänzer. Sie beherrschen allerlei kleine tänzerische Kunstfertigkeiten und putzige Geräusche: und so rülpsten, zischten und fiepten sie, von Mikrofonen unterstützt, zur Freude des Publikums. Marschierten, hopsten und bewiesen sehr ausdrucksstark, dass moderner Tanz nicht zwingend eine humorfreie Zone sein muss.
Ein Rückfall in diese Richtung war dann leider VA Wölfls Tanzperformance, wo zwei Tänzerinnen im grauen Business-Suit um zwei laufende Fernseher tanzen, zeitweise kriechen oder einfach darauf liegen. Poetischen Drive hatte dagegen das Stück von Christopher Kondek, der fast schon die minimalistischen Vorgaben der Reihe sprengte: Ein Tisch mit Videokamera, Laptop, Monitor und zwei Stühle mit zwei Leuten drauf, die dann nach allen Regeln multimedialer Kunst eine alte asiatische Legende erzählen. Leinwandprojektionen mit rasendem Medienmüll, live manipulierte Bilder, eingelesene Texte aus dem Off. All das, um einen asiatischen Mythos zu erzählen: die Geschichte eines größenwahnsinnigen Affenkönigs, den Buddha für seine Hybris schwer bestraft.
ESTHER SLEVOGT
Stücke aus Asien: 17. 8., 22 Uhr, 18. 8., 22 Uhr; Stücke aus Deutschland: 19. 8., 22 Uhr, Haus der Kulturen der Welt, John-Foster-Dulles-Allee 1, Tiergarten
Hinweis:Moderner Tanz muss nicht zwingend eine humorfreie Zone sein
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