: Austreibung der Adler
Goldene Sojabohnen am Busen der Außenministerin: Mit „Schmuck für Madeleine Albright“ wendet sich das Kunstgewerbemuseum jetzt den Feinheiten der Diplomatie zu
Ein „amerikanischer Adler mit Perle“ ist Helen Drutt ein Graus. „Weg mit dem Vogel“, ruft die Schmuckgaleristin aus Philadelphia, der das patriotische Geflügel von allen Revers der politisch ambitionierten Damen Washingtons in die Augen stach. Drutt, selbst eine resolute Dame mit Hut, dachte sich einen pädagogisch wirksamen Schachzug aus und lud über sechzig bekannte Goldschmiede ein, Broschen für Madeleine Albright zu entwerfen. Die sagten mit Begeisterung zu, versprachen sie sich doch von der breiten Brust der amerikanischen Außenministerin eine publikumswirksame Bühne.
Albright hat ein Faible für Schmuck, den traditionellen Vermittler zwischen Macht und Weiblichkeit. Dessen Sprache ist kein eindeutiges Ding mehr in einer postfeministischen Demokratie: Das zeigen die Schmuckentwürfe, die ab der langen Nacht der Museen im Berliner Kunstgewerbemuseum zu sehen sind, nur zu sehr. Ihre Symbolik, um Originalität bemüht, ist oft missionarisch aufgeladen: Mit Sojabohnen aus schwarzem Horn, die in Gold gefasst sind, möchte Sharon Church die Politikerin ermutigen, Amerikas Entwicklungsländern diesen Brotkorb anzubieten. Merrily Tompkins hat einen weiblichen Torso mit einem Schloss vor dem Geschlecht geschmiedet, den Albright als Protestnote gegen Beschneidungspraktiken anstecken soll – sehr diplomatisch.
Gegenüber dieser politischen Korrektheit wirkt der juwelenbesetzte Zoo, den Albright bevorzugt, zwar handwerklich bieder, aber mit Witz eingesetzt. Nachdem die Presse des Irak sie als „Schlange“ beschimpft hatte, trat sie Saddams Ministerpräsident Tarik Asis mit einer Schlangenbrosche gegenüber. Das brachte ihr die Hochachtung älterer Damen überall auf der Welt ein, die sich sonst um Politik kaum scheren. In den Magazinen der amerikanischen Zeitungen wuchs daraufhin die Beobachtung ihres Schmuckarsenals. Man entdeckte erschreckend große Bienen, Fesselballons als Aufmunterungen und ein Kapitol als Bekenntnis zur Zweiparteiendemokratie.
Die Designer aber möchten sie mit „Black Power“-Fäusten aus Glasperlen sehen oder mit zwei sich schüttelnden Händepaaren, als wäre solche Symbolik nicht schon allgegenwärtig. Arline Fisch fasst eine Lupe in einen goldenen Fächer, wohl um das Kleingedruckte in Verträgen nicht zu übersehen.
Vor allem Frauen mit feministischer Grundausbildung macht Albrights Karriere zu schaffen. Bussi Buh aus München möchte ihr deshalb gerne Epauletten aus kleinen Brüsten aufsetzen und ihr Kinn mit einem ehrwürdigen Zeremonialbart schmücken. Betsy King sieht sie als Cinderella durch die Welt fliegen. Mrs. Albright hat sich die Ausstellung angeschaut und sich bedankt. Kaufen wollte sie nichts.
KATRIN BETTINA MÜLLER
Kunstgewerbemuseum, Kulturforum, Eröffnung Samstag 20 Uhr, bis 26. November
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen