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Atom sorgt für Schulterschluss

Aus Protest gegen die drohende Inbetriebnahme des nahen tschechischen AKW Temelín blockieren Tausende Österreicher aller Couleur stundenlang die Grenzübergänge. Auch deutsche Regierung skeptisch. Tschechen sehen keine Probleme

von BEATE WILLMS

Um eine Minute vor zwölf Uhr ging nichts mehr. Rund 3.000 Menschen mit beinahe 200 Traktoren blockierten am Samstag fünf Stunden lang die oberösterreichischen Grenzübergänge Wullowitz, Weigetschlag und Guglwald und protestierten damit gegen den für Mitte September geplanten Start des tschechischen Atomkraftwerks Temelín. „Radioaktivität kennt keine Grenzen“, hieß es auf einem Transparent. Die Aktion sollte vor allem Urlauber aus Tschechien treffen, wo am Montag das neue Schuljahr beginnt.

Zeitgleich trafen sich Mitarbeiter der Staatlichen Behörde für atomare Sicherheit (SUJB) in Prag mit österreichischen Experten, um über den umstrittenen Meiler zu diskutieren. „Wir haben heute sowohl unsere Position bekräftigt, dass das Kraftwerk sicher ist, als auch unsere Bereitschaft, die andere Seite davon mit allen verfügbaren Mitteln zu überzeugen“, erklärte ein SUJB-Sprecher. Weniger diplomatisch formulierte Regierungssprecher Libor Rouček, die Proteste seien eine peinliche und „hysterische Reaktion“ Österreichs. Der Genehmigungsprozess sei so angelegt, dass man „jeden Moment Stopp sagen“ könne. Allerdings gebe es dazu derzeit keinen Grund.

Das sehen nicht nur die oberösterreichischen Demonstranten anders. Die Geschichte der Proteste gegen den 981-Megawatt-Meiler vom Typ WWER 1000 ist lang. Der Aufruf zu den Grenzblockaden war von allen politischen Parteien, Organisationen wie den Naturfreunden, dem Bauernbund und diversen Jugendverbänden unterzeichnet worden. Die Oberösterreichische Versicherung hatte kostenlose Haftpflichtversicherungen für alle drei Kundgebungen bereitgestellt. In der vergangenen Woche hatte Österreichs Bundeskanzler Wolfgang Schüssel damit gedroht, den EU-Beitritt Tschechiens zu verhindern.

Auch die deutsche Bundesregierung forderte die Prager Regierung auf, die Genehmigung noch einmal zu überdenken. Sie stützt sich dabei vor allem auf einen Bericht der Kölner Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS). Darin konstatieren die Experten, dass wichtige Sicherheitsventile nicht zuverlässig und die Vorsorgemaßnahmen gegen den Bruch von Wasser- und Dampfleitungen sowie die Batteriekapazität für die Notstromversorgung unzureichend seien. GRS-Sprecher Heinz-Peter Butz: „So wäre das Kernkraftwerk in Deutschland nicht genehmigungsfähig.“

Vor allem der tschechische Industrieminister Miroslav Grégr drängt aber auf rasche Inbetriebnahme. AKW-Betreiber aus Westeuropa suchen nach neuen billigen Stromquellen. Schon jetzt beziehen deutsche Energieunternehmen10.500 Gigawattstunden jährlich von Temelín-Betreiber CEZ. Nach einer in der vergangenen Woche vorgestellten Studie des oberösterreichischen Anti-Atom-Beauftragten Radko Pavlocek ist der mittlere Exportpreis pro Kilowattstunde nach Deutschland seit 1999 um ein Viertel gesunken. Die Exporterlöse decken nur knapp 40 Prozent der Produktionskosten. Damit bestätigte er die Einschätzung des Greenpeace-Experten Veit Bürger, der Strom aus Temelín werde keineswegs für den tschechischen Bedarf gebraucht. Vielmehr gehe es um „lukrative Stromexporte aus Risikomeilern zu Dumpingpreisen“.

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