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ein lebensroman in bildern: ernst jandl und wie die fotokamera ihn sah

Als Hommage geplant, ist er nun also ein Nachruf geworden: der Band „a komma punkt“ über den während der Drucklegung leider – ach – verstorbenen Extremdichter, Lautpoeten und Vortragskünstler Ernst Jandl. Klaus Siblewski, der sein Verlagslektor und Herausgeber war (wie man nun also im Präteritum schreiben muss), hat das Buch eingerichtet (Luchterhand Verlag, München 2000. 216 Seiten; leider, aber gerechtfertigt 78 DM). Er hat Fotos aus allen Lebensstationen zusammengestellt. Er hat informative, unaufdringliche Begleittexte dazu geschrieben, etwa über Jandls Zeit im Krieg oder seine Beziehung zu Friederike Mayröcker. Er hat, auch stets ein Gewinn, viele Typoskripte des Autors faksimiliert beigefügt. Herausgekommen ist so etwas wie ein Lebensroman in Bildern – und unbedingt eine Einladung, sich des Phänomens Jandl noch einmal lesend oder auch, da der Vortrag doch entscheidend ist, CD-hörend anzunehmen. Eins erklärt der Band überdies auch noch: warum Jandl-Fans, merkwürdigerweise, von der Tendenz her eher glückliche Menschen sind. Ganz einfach: Sie haben in diesem Leben und diesem Werk immer etwas zu entdecken. Viele der abgebildeten Fotos atmen eine Frische und Präsenz, die mit typischen Schriftstellerposen nun wirklich gar nichts zu tun haben. Und wer – hallo, liebe Literaturstudenten und -studentinnen – mit dem Begriff „Avantgarde“ nur noch etwas Verstaubtes und Abgehangenes assoziiert, dem sei doch wirklich mal hier das Blättern empfohlen: Jandl ist in seinem Einfallsreichtum nicht nur in seinen Sprachspielen, sondern auch in seiner Gestik und Mimik immer noch für eine Überraschung gut. Die drei kleinen Fotos unten zeigen drei Lebensabschnitte: links den kleinen Ernst betend mit seiner Mutter (die auch Gedichte schrieb) im Elternschlafzimmer; in der Mitte den Soldaten Ernst Jandl; rechts den reifen (?!) Vortragskünstler nach einer Lesung vor Mitgliedern des Rotarier-Clubs, die ohne Applaus endete. Bei der großen Abbildung handelt es sich, um die – ja doch – inzwischen legendäre erste taz-Seite, auf der zu Ehren von Jandls 65. Geburtstag am 1. August 1990 die Buchstaben „r“ und „l“ vertauscht waren; von wegen rinks und lechts, Sie wissen schon. Im besprochenen Band steht sie, vor über zehn Jahren einer Idee des damaligen taz-Kulturredakteurs Thierry Chervel entsprungen, auf Seite 178.  drk

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