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Es tropft aus der Giftschlamm-Deponie

■ Aus der Hafenschlamm-Deponie Luneplate bei Bremerhaven sickert hochgiftiges Tributylzinn ins Grundwasser / Bremens Grüne kritisieren jetzt das umstrittene Entsorgungskonzept

Die Giftschlamm-Deponie Lune-plate bedroht offensichtlich die umliegende Natur und AnwohnerInnen. Nach einem Gutachten sind im Umfeld des Pilotprojekts durchgesickerte Konzentrationen der hochgiftigen Substanz Tributylzinn (TBT) gefunden worden. Damit haben sich die ärgsten Befürchtungen von AnwohnerInnen bestätigt, die bereits zu Beginn des Versuchsprojektes gegen das Ausbringen von TBT-verseuchtem Schlamm protestiert hatten. Sie waren vor knapp einem Jahr mit den Zusagen vom Umweltressort beruhigt worden, das Versuchsfeld sei vollständig abgedichtet worden und damit sicher.

Um den aktuellen Zustand der Hafenschlamm-Deponie Luneplate zu erfahren, hat sich die Bremer Umwelt-Deputation jetzt von dem Ottersberger Spezial-Labor Dr. Nowak Bericht erstatten lassen. Die Wissenschaftler sollten untersuchen, ob der Giftschlamm aus Bremerhaven sicher verpackt ist. Der Bericht blieb eine eindeutige Antwort allerdings schuldig.

Eigentlich, so meint der Laborbericht, könne kein Gift aus der Deponie austreten. In dem gleichen Bericht sind allerdings auch unbekannte Giftmengen erwähnt, die in hohen Konzentrationen aus „unerklärlichen“ Gründen über Brunnen ins Grundwasser gelangt sind. Nachdem die Brunnen mehrmals mit Frischwasser gespült worden waren, meldete der Umweltsenat zwischenzeitlich: „Die Brunnen sind TBT-frei.“ Bei nachträglichen Kontrollmessungen jedoch wurde wieder TBT gefunden. „Unerklärlich“, meint der Nowak-Bericht.

Völlig unerwähnt bleiben zudem dramatische TBT-Ausflüsse über einen Entwässerungsgraben neben der Deponie an der Kleingartensiedlung. Das Umweltressort hatte selbst darauf hingewiesen. Eine Erklärung für die Ausflüsse gibt es bis heute nicht. In der Behörde war gestern niemand für eine Stellungnahme zu erreichen.

Ganz nebenbei wird im Bericht der Bau eines neuen Entwässerungs-grabens erwähnt, um „Oberflächenwasser von der Deponie schneller abfließen zu lassen“. Ob sich dieses Abflusswasser mit TBT angereichert hat, darüber schweigt sich der Bericht aus. Generell berücksichtigt der Bericht nicht die extreme Giftigkeit von TBT. Schon Mengen im Mikrogrammbereich schädigen kleinere Wassertiere. Bei den zumutbaren Belastungen der Umwelt durch TBT geht der Bericht von Grenzwerten aus, die willkürlich gesetzt sind. Die Grünen attackieren jetzt den Bericht und stellen das Deponiekonzept in Frage. Karin Mathes, umweltpolitische Sprecherin der Grünen: „Zur Genehmigung einer Giftdeponie braucht man ein Planfeststellungsverfahren. Die Deponie Luneplate wurde über eine einfache Genehmigung eingerichtet. Dies setzt aber die Erprobung neuer Verfahren zum Abbau des Giftes voraus. Seit einem Jahr wird aber weder geforscht noch werden neue Verfahren zur TBT-Reduktion erprobt.“ Selbst vorgeschriebene wichtige Maßnahmen, wie die Zufuhr von Sauerstoff, wurden zumindest für den ersten Deponieabschnitt unterlassen, so Mathes.

Das TBT auf der Luneplate stammt aus Schiffsfarben. Es soll das treibstoffzehrende Anwachsen von Muscheln und Algen an Schiffsrümpfen verhindern. Von den Schiffen gelangt das Zeug in den Hafenschlamm. Nachdem 1997 das Land Niedersachsen Bremen verboten hatte, den hochgiftigen Hafenschlamm in die Nordsee zu kippen, drohte der Bremerhavener Hafen an 200.000 Tonnen Gift-Schlick zu ersticken. Um den loszuwerden deponierte Bremen den Hafenschlamm auf der Luneplate. Wissenschaftler vermuteten, unter Sauerstoff- und Sonneneinfluß könnte TBT zerfallen. Ob dies und wenn ja in welchem Maße tatsächlich geschieht, konnte auch der Nowak-Bericht für die Luneplate nicht nachweisen. Die Deputation fordert jetzt zu prüfen, ob alle in Bremen verfügbaren wissenschaftlichen Kräfte für eine effektive TBT-Entsorgung eingesetzt werden. Thomas Schumacher

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