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Tussis versus Boys

Bunte Magazine für supersüße, kleine Tussis und textlich karge Stilzeitungen für „Fashion Victims“ auf der Suche nach einer Zielgruppe

von JENNI ZYLKA

Was liest die Jugend? Das ist hier die Frage. Denn neue Pfründen sucht man vorzugsweise bei neuen LeserInnen, die heute gebunden werden können (Leserbindung), damit sie auch morgen noch dranbleiben.

Die klassischen Teenieblätter wie Bravo oder PopRocky haben mehr oder weniger ausgespielt, stattdessen liest, wer mag, alles über seine Fernsehstars in Special-Interest-TV-Magazinen. Und ernsthafte Musikzeitungen wie Spex relaunchen sich bis zur Unkenntlichkeit, um damit auch keine höhere Auflage zu erzielen.

Womit bekommt man also die multimedial höchst strapazierte Jugend vom Rechner weg und zurück ans Blatt?

Zwei junge Magazine versuchen es auf unterschiedliche Art und Weise. Seit sechs Jahren schon, aber erst seit August im monatlichen Rhythmus erscheint das aus Berlin-Kreuzberg stammende Mode-, Kultur und Musikmagazin Style and the family tunes, das nicht zufällig nach der großartigen Soulfunk-Band „Sly and the Family Stone“ benannt wurde: Musik ist ein Hauptthema des voller konzeptionell höchst eindrucksvoller und ungewöhnlicher Modefotos steckenden Blattes. Dominiert wird es von diesen Bildern, durch kaum vom redaktionellen Teil zu unterscheidende Werbung und von der modernen, absichtlich schwer zu lesenden Schrift in kurzen, unkonventionell geschriebenen Texten.

Das kann man mögen oder nicht – hinter Style, die sich am ehesten noch an der englischen I-D oder der Face orientiert, steckt eine ernsthafte Idee. Zielgruppe der in 20.000 Exemplaren bundesweit erscheinenden Zeitung sind Männer und Frauen zwischen 20 und 40, die sich eben für Stile, für Lifestyle interessieren. Und interessanterweise kommt, trotz oft schlampiger Texte und kaum zu entziffernder Symbolik, die Seriositität des Anliegens rüber.

Vielleicht liegt es an der oft recht interessanten Themenwahl oder an den provokanten Modefotos: Dünn sind die Models zwar alle, aber irgendwie sehen sie anders aus. Zu befürchten ist allerdings, dass die 50 Prozent Männer in der Redaktion für die Ernsthaftigkeit verantwortlich sind: Musikfans meinen’s nun mal ernst. Und gerade HipHop ist, zumindest für die Beteiligten, eine nur selten komische Angelegenheit.

Auch die wenigen anderen Kulturtexte, wie beispielsweise ein Report über den neuen Lars-Becker-Film „Kanak Attack“ nach einem Buch von Feridan Zaimoglu oder irgendwelche DJ-Geschichten, haben auf eine moderne Art Hand und Fuß. Man kann sich über Geschmack streiten, aber immerhin steckt hier was drin.

Die Tussi Deluxe erscheint seit September monatlich, und ist so eine Art „Style Light“ – zwölf Frauen, die sich vermutlich gerne Mädchen nennen, haben sich in Düsseldorf zusammengefunden, um eine „ewig junge, aber irgendwie erwachsene“, eine „urbane, moderne, label- und vergnügungssüchtige, auch ohne Brille bourgeoise Brillen tragende, unabhängige und dennoch der Liebe verfallende, manchmal dreckig lachende Zielgruppe“ zu erreichen. Übrigens durchaus nicht nur Frauen, sagen die Redaktionsmädchen. Und unterschreiben mit rosa Tinte. Diese Mischung aus Albernheit und Freude zieht sich durch das querformatige, bunte Heftchen. Überall blitzen kleine Herzchen, Gequietsche und Gekicher: Wir sind Tussis, und wir sind stolz darauf! Dass bei dem ganzen niedlichen, konsumfreudigen Gegacker Themen, Hintergrund oder richtige Geschichten genauso außen vor bleiben wie ein auf Dauer fesselndes Konzept, fällt im Prinzip nicht ins Gewicht. Da kämpft man sich schon mal durch ein bisweilen lustiges, bisweilen langweiliges Kylie-Minogue-Interview („Was war – aus heutiger Sicht – das schlechteste Outfit, das du jemals auf der Bühne getragen hast? Kylie: Kreisch! Darf ich nur eines aussuchen?“) und erschrickt über die natürlich ironisch gemeinte, aber dennoch taktlos-dämliche Styling-Idee „Tussi Repair“ mit Adolf Hitler, die in dem Satz: „Ein gutes Styling macht noch keinen guten Führer, stimmt’s?“ gipfelt. Stimmt. Und ein bisschen Späßchen macht noch kein außergewöhnliches Magazin.

60.000-mal lag die erste Tussi im September bundesweit zunächst kostenlos aus, und die Mischung aus Mädchenfrechheit (um nicht das abgenutzte Girlie herauskramen zu müssen), einer zumindest ungewöhnlichen Optik (vor allem durch das Querformat) und alten Themen (Diane Brill, Beinrasur, ampool.de) wird zumindest bei den Leuten ankommen, die entweder zu alt oder zu oberflächlich sind, um sich eine Meinung über die Jugend zuzutrauen. Ab Oktober soll die Tussi den anderen, etablierten Frauenmagazinen, hoffentlich durch genug Anzeigen finanziert, Konkurrenz machen, vor allem durch die nicht vorhandenen „Diättipps und Schönheitsvorgaben“. Dass die Tussen in der Tussi sich aber eigentlich gar nicht so sehr von denen in einer Amica oder Petra unterscheiden, wird spätestens bei den Modestrecken und beim Haha-„Psyche-Out“-Tussi-Test klar: „Unerwartet überrascht sie ein Heißhunger auf Kuchen! Was tun? – a) Ich schicke meinen Schatzi zum Büdchen, Yes-Torty holen. b) Süßes ist nicht mein Ding, ich gehe zum Sport! c) Entweder ich fange sofort zu backen an, oder ich gehe zu „Godiva“, 100 g Pralinen essen!“

Das ist der Stil, in dem ach so freche Damen gerne dargestellt werden, eine lustiger, spontaner und individueller als die andere. Eigentlich schön, dass Mädels endlich den Humor entdecken. Nur schade, dass sie ihn gleich wieder zugrunde kichern. Und dass er nur in der Kombination mit Niedlichkeit zu funktionieren scheint. Vielleicht ist es Zeit für ein Magazin, dass sich vor allem an langweilige, altbackene, unhumorige graue Mäuse richtet. Innovativ wäre das allemal.

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